Die derzeitigen Milchpreise bei einem Verkaufspreis von 43 Cent pro Liter setzen die Milchbauern nicht nur hier in Schleswig-Holstein ganz enorm unter Druck und treiben so manchen Landwirt über kurz oder lang in den Konkurs. Auch die Milcherzeuger nördlich der Grenze kämpfen um ihre nackte Existenz bei den derzeitigen vom Weltmarkt bestimmten Milchpreisen.

In Dänemark erhält der Verbraucher den Liter Milch momentan bei Aldi für 3,95 DKr was in Euro etwa 53 Cent entspricht. Damit liegt der Milchpreis dort zwar noch etwas höher als hier bei uns im Land, aber es ändert nichts an dem Problem, dass der Verkaufspreis im Einzelhandel sich hier wie da sehr nahe den Produktionskosten angenähert hat, die ein Landwirt für seine Milch erzielen muss, um wirtschaftlich arbeiten zu können. Von den Produktionskosten der Milcherzeuger, die sich je nach Betrieb zwischen 37 (2,75 DKr.) bis 42 Cent (3,12 DKr. )pro Liter bewegen, erhält er derzeit nur etwa 20 Cent (1,49 DKr.) und teilweise gar noch darunter.

Die Verbraucher diesseits und jenseits der Grenze begrüßen diese Niedrigpreise selbstverständlich und je „kleiner der Geldbeutel“ der Verbraucher ist,desto größer ist die Freude über diese Preisgestaltung. Menschlich ist es verständlich, aber für die Landwirte und für die Volkswirtschaft ist die Situation eine Katastrophe.

Für die Milcherzeuger ist es problematisch, wenn es keine Korrelation zwischen dem Preis besteht, den die Verbraucher für die Milch in den Läden zu zahlen haben, und die Arbeit, welche die Erzeuger leisten, um die Milch zu produzieren. Die Milch, die Verbraucher kennen und lieben, durchläuft nämlich einen langen Prozess, bevor sie soweit ist, getrunken werden zu können, oder über die Haferflocken, den Müsli oder in den Kaffee gegossen zu werden.

Die Milchproduktion beginnt auf dem Bauernhof, wo Kühe gezüchtet, gefüttert und von den Landwirten gemolken werden. Hier wird die Rohmilch i. d. R. zweimal täglich von Milchfahrern mit ihren Kühl-Tankfahrzeugen abgeholt und zur Molkerei gebracht, wo die Rohmilch zu Trinkmilch weiterverarbeitet wird, bevor sie den Groß- und Einzelhandel erreicht.

Alle Glieder in dieser Kette basieren auf handwerklichem Können,  Geschick und fundiertem Wissen. Es beginnt beim Milchbauern, der seine Tiere optimale Lebensbedingungen bieten und auf das Wohlbefinden seiner Kühe achten muss. Weiter geht es mit dem Milchfahrer, der geschult ist,  die Qualität und den Geschmack der Milch zu bewerten, die von den einzelnen Bauernhöfen abholt wird, und es endet beim den Milchspezialisten in den Molkereien, welche die Rohmilch unter Berücksichtigung der Lebensmittelsicherheit verarbeiten, ohne die Rohmilch auf hohem Niveau im Eiweiß- und Kalziumgehalt zu beeinträchtigen. – Milchtrinken ist absolut kein Selbstläufer!.

Überdies sind die Verbraucher in Bezug auf Qualität immer anspruchsvoller geworden. In einer kürzlich von „Cint“ durchgeführten Verbraucherumfrage über die öffentliche Meinung in Dänemark über die Milchproduktion, gaben 58 Prozent der Befragten an, dass die Milcherzeuger das Wohlergehen der Tiere in Zukunft höher priorisieren sollten. 43 Prozent glauben, dass dem Umweltschutz mehr Vorrang eingeräumt werden sollte, und 37 Prozent. denken, es sollten mehr Bio-Produkte favorisiert werden.
Realität aber ist, was auch immer dem Vorzug gegeben oder eine höhere Bedeutung beigemessen wird, so kostet das eine wie das andere Geld, da in jedem Fall zu leistende Arbeit dahintersteckt die es fair zu kompensieren gilt..

Insofern obliegen den Milchbauern, den verarbeitenden Molkereien und den Verbrauchern gemeinsame Verpflichtungen in Bezug auf Umwelt, Milchqualität und Sicherheit sowie dem Wohlergehen der Tiere zu entsprechen. Die Verbraucher sehen es als selbstverständlich an, dass sie für den Preis, den sie zahlen, den höchsten Qualitätsstandard an Milch erhalten, und dieses steht keineswegs zur Debatte. Aber es bedeutet auch, dass Milch natürlich zu produzieren teurer ist, als ein zweitklassiges Produkt ohne Rücksicht auf die Umwelt, die Tiere, die Qualität oder Lebensmittelsicherheit herzustellen.

Andere Lebensmittelhersteller zeigen, dass Sie ihr Produkte zu viel höheren Preisen als die tatsächlichen Produktionskosten vermarkten können. Nehmen wir zum Beispiel Mineralwasser, welches in den Geschäften in der billigen Preisklasse 5 DKr. (67 Cent) pro Liter kostet, Die teureren Mineralwasser erzielen sogar bis zu 20 DKr.(2,69 Euro) pro Liter!  Das sind von 25 Prozent bis zu  400 Prozent mehr als ein Liter Milch der billigsten Milch zu haben ist!

Für einen Milchbauern ist es hart, über die Fairness hinter der Preisgestaltung von Milch im Vergleich zu Wasser nachzudenken, denn rational verstehen und nachvollziehen kann man es nicht. In Dänemark wie auch in Schleswig-Holstein haben wir eine Tradition der Landwirtschaft. Ob es Mehl, Eier oder Milch usw. sind, alle landwirtschaftlichen Produkte erfordern funktionierende Bauernhöfe, um qualitativ hochwertige Produkte zu produzieren, die den Landwirten eine angemessene Bezahlung für ihre Arbeit und ihre Produkte einbringen muss.

Welcher Preis als Verbraucher vernünftig zu bezahlen ist, kann in einer freien Marktwirtschaft kaum geregelt werden, aber dem Handel kann man eine gewisse Verantwortung nicht absprechen, ihre Waren zu Preisen zu anzubieten, die auch den Produzenten dieser ein Einkommen sichert, welches das wirtschaftliche Überleben sichert, denn was nützt es den Händlern, ihre Produzenten in den Konkurs zu treiben, von denen sie ihre Waren wie beispielsweise die Milch beziehen?

Es ist schwer, die Zukunft vorherzusagen, aber Tatsache ist, dass die Milcherzeuger in einer überaus bedrohlichen Notlage sind. Deshalb fordere ich eine Debatte darüber, was eigentlich fair ist, wie viel für ein Liter frischer Milch zu zahlen wäre.

von

Günter Schwarz – 22.05.2016