„Nach unseren Informationen aus dem Einwohnermelderegister sind Sie ein amerikanischer Staatsbürger und ihnen wird nicht das EU-Recht auf Freizügigkeit auf dem Arbeitsmarkt zuteil. Wir beabsichtigen daher, sie ab dem 1. Juli an einer Maßnahme zur Eingliederung bei 8411 Dkr./Monat Bruttobeihilfe (1.130 Euro/Monat) teilnehmen zu lassen“, hieß es in dem Schreiben, das Floyd Adams von seiner Gemeinde, der Lyngby-Taarbæk Kommune aus der Hauptstadtregion von København, kürzlich erhielt.

Er ist mit seiner dänischen Frau Charlotte Roel seit 26 Jahren verheiratet. Das Ehepaar hat zwei Kinder im Alter von 15 und 18, die dänische Schulen besuchen und die die dänische Staatsbürgerschaft haben. Floyd Adams spricht fließend Dänisch.

Nachdem sie im Jahr 1990 heirateten, lebte das Paar erst 12 Jahre in Dänemark, und zog dann aus beruflichen Gründen für 11 Jahre nach London. 2013 kam das Ehepaar nach Dänemark zurück und ließ sich in Lyngby nieder.

In diesem Zusammenhang war Floyd Adams ein Schreiben der dänischen Einwanderungsbehörde zugegangen, das besagte, dass er „das Recht in Dänemark nach EU-Recht als Ehegatte eines dänischen Bürgers zu bleiben hätte, und gemäß den EU-Vorschriften als wirtschaftlich in einem anderen EU-Land aktiv zu sein abgesichert wird“.

Floyd Adams spricht seit Jahren fließend Dänisch, hat an der Niels Brock Business School eine dänische Berufsausbildung gemacht und ist als Produzent, Tontechniker und Musiker tätig. Momentan sind er und seine Familie auf zusätzliche Geldleistungen der Gemeinde angewiesen, und von daher möchte die Gemeinde ihn auf den untersten Integrationsleistungssatz hinabstufen.

„Sie behandeln mich wie ich einen Asylbewerber, der gerade in das Land gekommen ist, obwohl ich insgesamt schon 15 Jahre in Dänemark gelebt habe. Ich bin entsetzt. Es ist unfair und einfach erniedrigend“, meint Floyd Adams.

Noch besteht die Gemeinde Lyngby-Taarbæk darauf, dass er die Beihilfe in Höhe von 1.500 Dkr. (201 Euro) nur erhält, wenn er den Dänisch-Sprachkurs 2 erfolgreich abschließt.

Wenn Floyd Adams und die Familie von ihren bisherigen Bezügen auf die Eingliederungshilfe herabgestuft werden, verliert die Familie monatlich 6.500 DKr. (873 Euro) und kann sich die Vier-Zimmer-Wohnung in Lyngby nicht länger leisten. Die Familie wird dann mit zwei Kindern im Teenageralter auf der Straße stehen. Ihre Leistungen wurden bereits vor 9 Monaten gekürzt, bis Adams Frau Charlotte Roel Theologie an der Universität von Kopenhagen studierte und einen SU-Zuschuss erhalten hatte.

„Aufgrund der angedrohten Kürzungen können wir ganz einfach nicht weiter die Miete zahlen. Und damit werden wir vielleicht sogar noch ein größeres Problem für die Gemeinde. Auf jeden Fall erweckt es nicht den Eindruck, als ob die Gemeinde den geringsten Überblick über die EU-Vorschriften hat. Anders kann ich mir die Schreiben der Einwanderungsbehörde und der Gemeinde nicht erklären, die völlig diametral laufen“, sagt Charlotte Roel.

Die Eingliederungshilfe wurde im August letzten Jahres vom Parlament beschlossen. Die Regeln bedeuten, dass Arbeitslose sieben der letzten acht Jahre in Dänemark gelebt haben müssen, um finanzielle Leistungen beziehen zu können. Die Eingliederungshilfe sieht einen niedrigeren Leistungssatz vor und der an Menschen gezahlt wird, die nicht mindestens sieben der letzten acht Jahre in Dänemark gelebt haben. Ziel des Gesetzes ist es, weniger Flüchtlinge nach Dänemark zu bekommen.

„Ich will ja nur Geld nur beziehen, bis ich einen Job gefunden habe. Ich stamme aus einer Unternehmerfamilie, und es ist ohnehin gegen meinen Willen, von Sozialleistungen leben zu müssen. Ich hatte Pech, meine Arbeit wegen Einsparungen verloren zu haben. Sowohl meine Frau und ich sind so besorgt, dass wir schon Bauchschmerzen haben und Schwierigkeiten haben, in der Nacht überhaupt zu schlafen“, sagt Floyd Adams.

Die Professorin an der Universität von Kopenhagen Kirsten Ketscher ist Expertin im Sozialrecht. Sie sagt, dass viele Menschen auf die unterste Integrationsleistung angewiesen sind. „Es ist ein sehr großes Problem, denn es gibt auch dänische Staatsbürger, die auf diesen Integrationsleistungssatz kommen. Ich spreche in jeder Woche mit Leuten, die das gleiche Problem oder ein ähnliches haben“, sagt sie.

Sie betont, dass es gegen das EU-Recht verstößt, wenn Kommunen Bürger in den untersten Eingliederungshilfesatz einstufen, nur weil sie für einige Jahre in einem anderen EU-Land gelebt haben. „Als EU-Bürger haben Sie das Recht, frei zu reisen. Wenn die sozialen Rechte in Dänemark durch Reisen beeinträchtigt werden, so handelt es sich dabei um ein Hindernis für den freien Warenverkehr, und der ist in der EU verboten.“

Spielt es eine Rolle, dass Floyd Adams US-Staatsbürger ist? Die Professorin Kirsten Ketscher entgegnet: „Aber er ist mit einer Dänin verheiratet, und damit genießt er den gleichen Schutz wie seine Frau. Er ist berechtigt, gleiche Leistungen wie alle anderen in Dänemark zu beanspruchen.“

Das Gesetz sagt, dass jeder, ob es sich um Dänen oder Ausländer handelt, nur Ansprüche auf Integrationleistungen haben, wenn sie nicht mindestens sieben von den letzten acht Jahren in Dänemark ihren Wohnsitz hatten. Nach Kirsten Ketscher verstößt dieses Gesetz eindeutig gegen EU-Vorschriften.
„Man kann nicht einfach ein mechanisches Kriterium anwenden wie die sieben von acht Jahre. Es ist zwar erlaubt, Wert darauf zu legen, ob jemand eine Bindung zu Dänemark hat oder nicht, aber wir können real existierende Bindungen nicht einfach ignorieren „, sagt sie.

Lyngby-Taarbæk will sich in diesem Stadium des laufenden Entscheidungsprozesses weiter nicht über den Fall äußern. „Es steht eine erste Entscheidung im diesem Fall in der nächste Woche im städtischen Zentrum für Arbeit an“, sagt Pressesprecher der Gemeinde Lyngby-Taarbæk Kommune, Jacob Holm Hansen.

Ursache dieses für Außenstehende ungewöhnlichen und schwer nachvollziehbaren Falles ist zweifellos die voneinander abweichende Gesetzgebung in Brüssel und København sowie die Schwierigkeit der Kommunen, geltendes Recht korrekt zu interpretieren und Vorort auf die Bürger bürgernah anzuwenden.

Kritiker bezeichnen diesen Behördenärger sicher als reinen Behördenwahnsinn und vergessen nicht, darauf hinzuweisen, dass die Menschheit sich eines Tages noch zu Tode verwaltet.

von

Günter Schwarz – 29.05.2016