Der Arbeitsmarkt in Schleswig-Holstein steht glänzend da. Doch vor allem eine Gruppe kann nicht so recht vom Aufschwung profitieren – jene der älteren Menschen, die länger als zwölf Monate auf der Suche nach einem Job sind. Allein seit der Finanzkrise im Jahr 2008 stieg ihre Zahl in Schleswig-Holstein auf Jahressicht gesehen um mehr als 54 Prozent. Zum Vergleich: Die Gesamtzahl an Arbeitslosen ging in dieser Zeit um fast neun Prozent zurück.

Während junge Menschen häufig noch bereit sind umzuziehen, sind ältere Arbeitnehmer darauf angewiesen, dass die Unternehmen vor Ort sie nicht aus Altersgründen ablehnen.

Experten und Gewerkschaften warnen daher vor der Ausgrenzung Älterer auf dem Arbeitsmarkt. „Wir haben ein Altersbild in der Gesellschaft, das nicht mehr zeitgemäß ist“, sagt die Chefin der Regionaldirektion Nord der Bundesagentur für Arbeit, Margit Haupt-Koopmann. Es müsse mit Vorurteilen aufgeräumt werden.

Der Anteil älterer Langzeitarbeitsloser im Land hat sich seit der Finanzkrise fast verdoppelt. Lag er 2008 noch bei 5,8 Prozent, waren es 2015 bereits 9,9 Prozent. Im vergangenen Monat gehörte mehr als jeder zehnte Erwerbslose zu dieser Gruppe. Damit suchten zuletzt 9.762 Menschen, die 55 Jahre oder älter waren, länger als ein Jahr in Schleswig-Holstein nach einem Job. Vor acht Jahren waren es im Jahresdurchschnitt noch 6.255 – gut 3.500 weniger.

Dabei ist es nicht so, dass in Schleswig-Holstein kein Bedarf an Arbeitskräften wäre. Im Gegenteil. „Auch Schleswig-Holstein hat ein demografisches Thema“, sagt Agentur-Chefin Haupt-Koopmann. Doch nach Angaben der Gewerkschaften werden auch ältere Arbeitnehmer, die ihren Job noch haben, in Betrieben immer öfter als Ballast empfunden. „Um die Beschäftigungsverhältnisse Älterer zu schützen, schlägt der DGB die Wiedereinführung der Erstattungspflicht des Arbeitslosengeldes für Arbeitgeber vor, die langjährig beschäftigte Ältere ohne zwingenden Grund entlassen“, wirbt DGB-Nord-Chef Uwe Polkaehn daher. Zudem sprach er sich für einen größeren „öffentlichen Beschäftigungssektor“ aus.

„Die stetige Erhöhung der Erwerbstätigenquote von Älteren in den letzten Jahren zeigt, dass die Arbeitgeber auf erfahrene Mitarbeiter setzen“, sagt hingegen Sebastian Schulze, Geschäftsführer beim Unternehmensverband Nord (UV Nord). „Die Auffassung der Gewerkschaften ist realitätsfern, wenn sie glauben, dass Arbeitgeber ältere Beschäftige ohne zwingende Gründe entlassen“, fügt er hinzu. Die Unternehmen seien froh über jede Fachkraft, „die sie im Unternehmen haben und halten können“.

Zwar beobachtet auch der UV Nord, dass die Gruppe der langjährigen Leistungsbezieher immer älter werde. Doch Schulze zeigte sich zuversichtlich, „dass individuelle Maßnahmen einschließlich Teilqualifizierungen dem einen oder anderen helfen können, um den Schritt in den ersten Arbeitsmarkt zu gehen“.

von

Günter Schwarz – 22.06.2016