Bei einer verbotenen Kundgebung zur homosexuellen „Pride Week“ in Istanbul wurde am gestrigen Sonntag der Grünen-Bundestagsabgeordnete Volker Beck von der türkischen Polizei vorübergehend festgenommen.

Volker Beck und weitere Aktivisten versuchten, die Festnahme eines türkischen Mitstreiters zu verhindern, der trotz massiver Polizeipräsenz eine Erklärung im Stadtzentrum abgeben wollte. Daraufhin führte die Polizei Beck und andere Beteiligte gewaltsam ab, wie ein dpa-Reporter berichtete. Die Veranstalter meldeten unter Berufung auf Angaben der Behörden insgesamt 29 Festnahmen.

Die deutsche Grünen-Europaabgeordnete Terry Reintke wurde ebenfalls abgeführt. Sie und Beck wurden kurz darauf wieder freigelassen, während Reintkes Mitarbeiter Felix Banaszak und der Sprecher der Grünen Jugend NRW, Max Lucks, dagegen mehrere Stunden in Polizeigewahrsam festgehalten wurden. Reintke teilte am späten Sonntagabend über Twitter mit, die beiden Begleiter seien inzwischen wieder frei.

Die Polizei setzte auf der Einkaufsmeile Istiklal Caddesi Tränengas gegen friedliche Unterstützer der Lesben- und Schwulenbewegung ein. Polizisten versuchten nit massiven Mitteln, die Berichterstattung internationaler Berichterstatter zu verhindern. „Verschwindet von hier““, brüllten Sicherheitskräfte die Journalisten, Fotografen und Kameraleute an. „Wenn Ihr nicht sofort weggeht, lassen wir den Wasserwerfer kommen.“

Beck kritisierte das harte Vorgehen der Polizei, denn es habe keinerlei Anlass dafür gegeben. „Die Polizei hat mir meinen Pass entrissen und mich geschubst“, sagte er. „Es war ein massiver und willkürlicher Polizeieingriff, den wir hier gesehen haben.“

Für eine demokratische Türkei müsse die Tür zur EU zwar offen sein, sagte Beck. Allerdings bewege sich Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan „jeden Tag zwei, drei Schritte von diesem Ziel weg“. Beck sagte mit Blick auf das repressive Vorgehen: „Das ist einfach für eine Kooperation oder eine enge Freundschaft nicht tragfähig.“

Istanbuls Gouverneur hatte die traditionelle Parade unter Berufung auf Sicherheitsbedenken zuvor verboten. Die Organisatoren sagten den „Marsch des Stolzes“, der zum Abschluss der „Pride Week“ vorgesehen war, daraufhin ab. Stattdessen wollten sie auf der Istiklal Caddesi lediglich eine Abschlusserklärung verlesen. Doch selbst wußte die Polizei mit einem massiven Aufgebot zu unterbinden.
In der im Internet veröffentlichten Erklärung hieß es dann: „Diejenigen, die unseren Marsch verbotenen haben, haben ,Empfindsamkeiten der Gesellschaft‘ vorgeschoben. Was aber beschützt werden soll, sind nicht Empfindsamkeiten der Gesellschaft, sondern die der Regierung.“

Die Schwulen- und Lesbenparade in der türkischen Millionenmetropole konnte mehr als zehn Jahre bei stetig wachsenden Teilnehmerzahlen unbehelligt stattfinden. 2015 wurde sie mit Verweis auf den für Muslime heiligen Fastenmonat Ramadan zum ersten Mal untersagt. Dennoch gingen trotz Verbot Tausende auf die Straßen, und auch damals setzte die Polizei bereits Wasserwerfer und Tränengas ein. Dieses Jahr fiel der Termin wieder in den Fastenmonat Ramadan, der am 6. Juli endet.

Zahlreiche Kritiker werfen Erdogan vor, die Türkei systematisch islamisieren zu wollen. Die türkische Polizei geht regelmäßig mit Tränengas und Wasserwerfern gegen jegliche Demonstranten vor, die von Erdogan auch nur geringfügig als regierungskritisch betrachtet.

von
Günter Schwarz – 27.06.2016