Beim Eröffnungskonzert in der Lübecker MUK kombinieren Thomas Hengelbrock und das NDR Elbphilharmonie Orchester die populäre Haydn-Sinfonie „Oxford“ mit Bartóks Konzert für Orchester.

Sie schlagen damit einen Bogen zurück zu Haydns langjährigen Arbeitgebern, der ungarischen Adelsfamilie Esterházy. Als Solistin des Abends singt die gefeierte französische Mezzosopranistin Marianne Crebassa die Kantate für Sopran und Orchester „Berenice, che fai“.

Joseph Haydn, der Komponist aus der österreichischen Provinz, hatte bei seinem ersten London-Aufenthalt die Spitze der englischen Gesellschaft im Sturm erobert. Die Verleihung der Ehrendoktorwürde in Oxford war da nur das Tüpfelchen auf dem i. Drei Tage lang hatte man Haydn in Oxford gefeiert, und in den verschiedenen Festkonzerten soll auch jene G-Dur-Sinfonie erklungen sein, die seither den Beinamen „Oxford“ trägt.

Das vor 30 Jahren gegründete Schleswig-Holstein Musik Festival startet am heutigen Sonntag um 20 Uhr mit zwei Konzerten in Lübeck in seine Jubiläumssaison. Die Grundidee, die Musik zu den Menschen zu bringen, sei unverändert aktuell, betonte Intendant Christian Kuhnt. „Das Festival hat da an Kraft nichts verloren.“

Das Mega-Programm von Deutschlands größtem Klassikfestival bietet bis zum 28. August insgesamt 178 Konzerte, fünf Musikfeste auf dem Lande und zwei Kindermusikfeste. Die Festivalregion reicht vom Süden Dänemarks bis ins nördliche Niedersachsen. Die musikalische Bandbreite jenseits der Klassik ist breiter geworden – mit Fado, Irish Folk, Chansons, Blasmusik und elektronischen Beats. Für alle Konzerte gibt es 172 000 Karten.

Zur großen Eröffnung heute in der Lübecker Musik- und Kongresshalle mit Prominenz aus Politik und Kultur, das wie bereits gesagt vom NDR Elbphilharmonieorchester unter Leitung von Thomas mit Hengelbrock mit Werken von Joseph Haydn und Béla Bartók eröffnet wird, rückt das Festival in seiner Komponisten-Retrospektive Joseph Haydn (1732-1809), einen Hauptvertreter der Wiener Klassik, in den Fokus.

Rund 100 Konzerte befassen sich mit seinem Werk. „Haydn steht völlig zu Unrecht im Schatten von Mozart und Beethoven, beide Komponisten haben Haydn sehr viel zu verdanken und sie würden sich sicherlich die Augen reiben, dass sie heute in der Wahrnehmung vor Haydn stehen“, sagte Christian Kuhnt.

Das SHMF bietet viele Stars, die aber nicht nur Hadyn interpretieren. Als „Porträtkünstler“ präsentiert das Festival den großen Pianisten Sir András Schiff (62). Der gebürtige Ungar mit britischer und österreichischer Staatsangehörigkeit hat zehn Konzerte nach eigenen Vorstellungen konzipiert – mit anderen Künstlern und sogar dem Marionettentheater Salzburg. „Wir sagen dem Künstler ‚mach, was du willst‘ – daher der Facettenreichtum“, sagte Kuhnt.

Zu den Stars gehören die Solisten Ivo Pogorelich, Sabine Meyer, Nigel Kennedy und Daniel Hope. Aber auch Schauspieler wie Klaus Maria Brandauer, Martina Gedeck, Axel Milberg, Iris Berben und Tobias Moretti sind dabei. Auch international renommierte Klangkörper sind beim SHMF wieder Gast, etwa das Rotterdam Philharmonic oder die Academy of St Martin in the Fields.

Ein Markenzeichen des Festivals ist sein eigenes Orchester mit rund 130 jungen Musikern aus aller Welt. Sie proben gemeinsam und werden als einen Höhepunkt die Filmmusik live zur Filmaufführung von Steven Spielbergs Klassiker „E.T.“ in den Holstenhallen in Neumünster spielen.

Seinen 30. Geburtstag feiert das Festival mit einem großen Festwochenende am 16./17. Juli in Büdelsdorf auf dem weitläufigen Gelände der NordArt, einer der größten europäischen Ausstellungen von Gegenwartskunst. Dort steht auch die ehemalige Eisengießerei Carlshütte, in der zum Geburtstag Haydns Oratorium „Die Jahreszeiten“ vom Elbphilharmonieorchester, zwei Chören und Solisten zu Gehör gebrachr wird. Dabei wird Klaus Maria Brandauer von ihm zusammengestellte Texte unter anderem von Haydn und Goethe vortragen.

Zum großen Finale des Festivals am 28. August im Kieler Schloss wird der Festivalchor – er besteht aus knapp 200 Laien – Haydns Oratorium „Die Schöpfung“ zusammen mit dem Elbphilharmonieorchester unter der Leitung von Sir Roger Norrington vortragen.

Der Fernsehsender 3Sat überträgt das Eröffnungskonzert am heutigen Sonntag ab 20:15 Uhr auf seinem Live-Stream unter http://www.3sat.de/mediathek/?mode=play&obj=42667

von

Günter Schwarz – 03.07.2016