Das ehemalige kanadische Modell Hanna Bohman gab ihr glamouröses Leben auf und von einem Foto-Shooting zum anderen zu hetzen, um sich den kurdischen Truppen in ihrem Kampf gegen den „Islamischer Staat“ in Syrien anzuschließen. Ihrer Meinung nach ist das größte Problem, dass Erdogans Türkei die Terroristen unterstützt.

„Die Türkei unterstützt den IS, und wir wissen es aus erster Hand. Es ist eine Schande! Und ebenso schändlich ist, dass kaum eine Berichterstattung darüber in der Presse im Westen erfolgt. Es wäre weitaus besser, sich schon jetzt mit dem Problem zu beschäftigen, als abzuwarten, bis es groß wird und in der Zukunft außer Kontrolle gerät“, sagt die jetzt 47-jährige Bohman .


Hanna Bohman

„Im Moment ist für uns allerdings nicht das größte Problem, dass der IS von derTürkei unterstützt wird“, bemerkt sie und fügt hinzu, dass das momentan größe Problem ist, auch Erdogan erschafft gegenwärtig einen weiteren „Islamischen Staat“! – „Er will der Sultan werden!“

„Und kurdische Kämpfer sind gezwungen, mit dem Problem fertig zu werden, das der Westen geschaffen hat“.

„Das Schlimmste ist nicht das, was jeder täglich im Kampf erlebt – das gegenseitige Töten und die Leichen. Das Schlimmste sind für mich, die jungen kurdischen Soldaten zu sehen die in zum großen Teil erst 17, 18 und 19 Jahre alt sind. Sie sind eigentlich noch Kinder, und sie geben bereits ihr Leben für ihr Land und eine Zukunft, die sie nie erleben werden, Es ist nicht zu vergleichen mit den Freiwilligen, die in ein anderes Land gehen, um für oder gegen etwas zu kämpfen. Diese jungen Leute sind freiwillig in ihrem eigenen Land, weil sie dort geboren wurden, und sie k#mpfen für sich, ihre Eltern, Geschwister und Landsleute. So gesehen haben sie wirklich keine Wahl. Sie sind gezwungen, entweder zu kämpfen, oder sie werden am Ende sowieso getötet. Wenigstens sterben sie im Kampf, anstatt irgendwo im Versteck zu sterben, betont Bohman.

„Es ist unglaublich unfair, dass sie sich mit einem Problem useinandersetzen müssen, dass der Westen geschaffen hat.“

Bohman trat den kurdischen Truppen in Syrien im März vergangenen Jahres bei und entschied sich, mit ihnen aktiv zu kämpfen. Sie blieb zunächst einmal für vier Monate bei den Kurden im Kampfgebiet, wobei sie feststellte, dass sich nach ihrer Einschätzung noch weitere 300 andere Freiwillige den Kurden angeschlossen haben. Sie kamen aus Südamerika, Europa, Russland, China und Australien.

Die Kontaktaufnahme zu den kurdischen Kämpfern war nicht schwer, wie sie sagt. „Ich habe es über eine Facebookseite versucht, mit ihnen in Kontakt zu kommen, und es gelang mir. Sie gaben mir Anweisungen und beschrieben mir, wie ich dorthin kommen kann und einen Weg durch die Türkei vermeide. Sie nannten mir Routen und Städte, die ich relativ gefahrlos nutzen und durchqueren konnte.“

Türkische Regierungen tut nichts, das Töten derYeziden durch den IS zu stoppen

Das Ex-Model erklärt, warum sie beschloss, in das Gebiet des „IslamischenStaat“ zu gehen, um dort gegen diesen „Staat“ zu kämpfen. „Es war eigentlch nur meine Aversion gegen den IS und wie die Politik mit den Leben der Menschen spielt, die vom IS bedroht und gar gefangen genommen werden. Ich habe in den Nachrichten verfolgt, wie sie die Yeziden in Chingal und anderswo hingemordet haben, und unsere westlichen Regierungen haben absolut nichts getan, um das irdendwie zu stoppen. Das war wirklich für mich die primäre Motivation, dorthin zu gehen.“

Die Kämpfer des „Islamischen Staats“ haben zahlreiche Akte des Völkermords gegen die Yeziden begangen, Diese kurdische Minderheit im Irak sollte in einer Kampagne des IS vernichtet werden, um das Gebiet, wie sie sagten, von nicht-islamischen Einflüssen zu „reinigen“.

Dschihadisten randalieren in Syrien und im Irak. Sie haben Tausende von Frauen und junge Mädchen entführt und zahlreiche Gräueltaten an ihnen begangen, einschließlich des sexuellen Missbrauchs und Zwangsbekehrung zum Islam durch Heirat mit einem Dschihad-Kämpfer.

Aufgewachsen in einer Gesellschaft, in der es für Frauen nicht vorstellbar ist, neben Männern zu kämpfen, haben die Kurden weiblichen Kräften in der YPJ (Yekîneyên Parastina Gel / Volksverteidigungseinheiten) die Möglichkeit eröffnet, sich in dem Kampf gegen den „Islamischen Staat“ zu engagieren.

„Für IS-Kämpfer durch eine Frau getötet zu werden, bedeutet für sie, in die Hölle gehen“, sagt die 16-jährige Kämpferin Chichek, die in der Türkei von zu Hause weglief, um der YPJ beizutreten, nachdem ihre Eltern versucht hatten, sie in einer arrangierten Ehe zwangszuverheiraten . „Deshalb sind die IS-Kämpfer nemüht, nicht von Kugeln von Frauen getroffen zu werden“, fügt sie hinzu. „Sobald die Dchihadisten weibliche Stimmen hören, bekommen sie große Angst.“

Man spricht über die Fortschritte, die die Anti-Terror-Koalition unter der Führung der US erreicht hat, sagt Bohman. Man kämpft gemeinsam gegen den „Islamischen Staat“, aber Washington sollte auch für die Kurden politisch Unterstützung und Schutz bieten.

„Um genau zu sein, müssten sich die USA als nützlicher und hilfreicher erweisen. Sie sollten den Kurden auch politisch helfen und die Leistung der Kurden anerkennen, indem man ihnen hilft, unterstützt, um das Land wieder aufzubauen und erfolgreich zu sein. Es kann nicht sein, ständig von jemandem einschließlich der Türken angegriffen zu werden“, sagt sie.

„Solange das Internet besteht, wird sich die IS- Ideologie verbreiten“

Nach Bohmans Ansicht, kann es nicht viel länger als ein Jahr dauern bis der IS in Syrien geschlagen sein wird. Die eigentliche Herausforderung besteht aber veemehrt darin, die Ausbreitung Terroristen Ideologie in der ganzen Welt zu stoppen, meint sie.

„Der .physische IS‘ in Syrien wird sich nicht mehr lange halten“, sagt Bohman. „Ich bin sicher, dass bis zum Ende des Jahres bis auf kleine Gebiete hier und da der IS geschlagen sein wird. Ideologisch wird es viel länger dauern“, sagt sie unter Hinweis darauf, dass es gemeinsamer Anstrengungrm erfordert, den IS vollständig zu besiegen. Das ist jedoch eine Aufgabe, die nur von der gazem Welt bewältigt werden kann und nicht nur von den Kurden allein.

„Aber es ist nicht zu unterschätzen, dass sich die Ideologie über das Internet verbreitet, und so können IS-Gruppen nahezu in allen Teilen der Welt neu entstehen und Probleme allergrößter Art in jeder Hinsicht verursachen“, warnt sie.

In der Ideologie des IS gefangen sieht Hanna Bohman auch den „ehemaligen“ türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan, der sich jetzt anschickt, sich zum Sultan der Türkei ausrufen zu lassen und, sollte er nicht gebremst werden, davon träumt, das zum Ende des Ersten Weltkrieges untergegangene Osmanische Reich wieder errichten zu wollen. Und er nutzt bzw. mißbraucht zum Erreichen seiner Pläne die Religion des Islams in einer Auslegung, wie er sie für sich interpretiert.

von

Günter Schwarz – 22.07.2016