Der Amokläufer von München hat seine Opfer nicht gezielt ausgesucht. Der Täter hat eine Art schriftliches „Manifest“ vor seinen Taten verfasst, aber nicht aus politischen Motiven gehandelt.

Die deutschen Behörden schliessen für den Amokläufer von München einen politischen Hintergrund eindeutig aus. Die Ermittler wissen noch nicht, warum der Täter diesen Tatort und den Tatzeitpunkt ausgesucht hat. Dies teilte Oberstaatsanwalt Thomas Steinkraus-Koch von der Staatsanwaltschaft München am Sonntag bei einer Pressekonferenz mit. Der Amokläufer habe sich auch nicht gezielt Ausländer als Opfer ausgesucht. Sieben seiner Opfer hatten einen Migrationshintergrund.

In psychiatrischer Behandlung

Es habe sich unterdessen bestätigt, dass der 18-Jährige wegen einer psychiatrischen Erkrankung behandelt wurde, teilten die Behörden weiter mit. In der Wohnung des Täters habe man ärztliche Behandlungsunterlagen gefunden, die auf eine Angststörung und Depressionen hindeuteten. Er habe sich sowohl in stationärer und ambulanter Behandlung befunden. Zudem habe man Medikamente gefunden.

Der Amokläufer sei 2015 zwei Monate in einer stationären Einrichtung gewesen, sagte Steinkraus-Koch. Er sprach von «sozialen Phobien» und Angstzuständen – etwa «wenn er mit anderen Personen in Kontakt kommt». Der Täter sei im Jahr 2012 von Mitschülern gemobbt worden; die Ermittler wüssten aber noch nicht, ob die Mobbing-Vorfälle von 2012 im Zusammenhang mit der Tat stünden, sagte der Oberstaatsanwalt.

Der Amokläufer habe ein eigenes schriftliches „Manifest“ zu seinen Taten verfasst, sagte der Präsident des bayerischen Landeskriminalamts, Robert Heimberger. Der Täter habe sich seit einem Jahr mit dieser Tat befasst und Winnenden besucht, den Ort eines früheren Amoklaufs in Deutschland. Nach Angaben der Ermittler hat der Täter auch intensiv gewaltverherrlichende Videospiele wie „Counterstrike“ gespielt.

Fake-Account auf Facebook

Der Amokläufer habe entgegen ersten Angaben keinen bestehenden Facebook-Account gehackt, sondern einen Fake-Account angelegt. Dafür habe er Fotos und andere Daten eines anderen Kontos verwendet. Mit seinem Fake-Account habe der Täter angekündigt, dass er bei McDonald’s eine Runde spendieren werde, sagte Heimberger. „Das war wohl der Versuch, Personen dorthin einzuladen.“ Nach bisherigen Ermittlungen gehörten die Personen, zu denen der Täter auf Facebook Kontakt hatte, aber nicht zu den späteren Todesopfern.

Bei der Bluttat am Freitagabend hatte der Deutsch-Iraner vor einem Einkaufszentrum neun Personen erschossen. Bis auf ein 45-jähriges Opfer waren alle zwischen 15 und 20 Jahre alt. Drei Personen schwebten am Sonntag noch in Lebensgefahr. Insgesamt gab es laut Landeskriminalamts 35 Verletzte. Der Täter hat am Tatort fast 60 Schüsse abgegeben. 57 Hülsen seien dort entdeckt worden, die «eindeutig» der Tatwaffe zugeordnet werden könnten, sagte Heimberger. Zur Aufklärung der Tat sei eine mehr als 70 Personen starke Sonderkommission gebildet worden, erklärte LKA-Präsident Heimberger.

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Neue Züricher Zeitung – 24.07.2016