Der Schock nach dem kaltblütigen Anschlag in dem Olympia-Einkaufszentrum von München weicht langsam, und so kommt man wieder dazu rationell zu denken und zu handeln. So stellen sich jetzt ganz einfache Fragen, wie zun Beispiel, woher hatte der junge Amokschütze von München die Tatwaffe und die rund 300 Schuss Munition, die man in seinem roten Rucksack fand? Auch stellt sich die Frage, ob die Sicherheitsbehörden nicht früher auf den womöglich psychisch kranken Mann aufmerksam werden können und müssen?

Am Freitagabend gegen 18 Uhr hatte der 18 Jahre alte Deutsch-Iraner Ali David Sonboly vor und im Olympia-Einkaufszentrum kaltblütig neun Menschen – darunter sechs Jugendliche – erschossen und sich anschließend selbst getötet. Nach Polizeiangaben hatte er noch 300 Schuss Munition bei sich im Rucksack.

In der Wohnung des jungen Mannes wurden nach Angaben vom Bundesinnenminister Thomas de Maizière Hinweise gefunden, die auf Verbindungen zum Amoklauf von Winnenden 2009 und zum Massenmord des Norwegers Anders Behring Breivik vor fünf Jahren auf der Insel Utøya vermuten lassen. Einen zunächst befürchteten Bezug den Bluttaten zu der Terrormiliz „Islamischer Staat“ wie in Paris, Brüssel und vermutlich auch kürzlich in Nizza schlossen die Sicherhatsbehörden aus.

Doch jetzt nach dem Amoklauf in München setzt die politische Debatte auf breiter Front ein – wieder einal, kann man nur sagen – wie solche Bluttaten zukünftig möglichst verhindert werden können!

Innenminister Thomas de Maizière (CDU) sprach sich dafür aus, die Einsatzkonzepte der Polizei noch einmal unter die Lupe zu nehmen. „Das wird sicher jetzt noch einmal überprüft werden müssen“, sagte der CDU-Politiker am Samstagabend in der ARD. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) forderte in der „Welt am Sonntag“, dass „wir in extremen Situationen“ wie Terroranschlägen „auch in Deutschland auf die Bundeswehr zugreifen können“.

In den Blickpunkt rücken zudem die Waffengesetze: De Maizière sagte gegenüber „Bild am Sonntag“, zunächst müsse ermittelt werden, wie der Amokläufer an die Tatwaffe gelangt sei. „Dann müssen wir sehr sorgfältig prüfen, ob und gegebenenfalls wo es noch gesetzlichen Handlungsbedarf gibt.“ Auch Vizekanzler Sigmar Gabriel betonte im Gespräch mit den Zeitungen der Funke Mediengruppe: „Die Waffenkontrolle ist ein wichtiger Punkt. Wir müssen weiter alles tun, um den Zugang zu tödlichen Waffen zu begrenzen und streng zu kontrollieren.“ Der SPD-Politiker sagte zudem, Staat und Gesellschaft müssten bei psychisch instabilen Menschen „hinsehen und intervenieren – gerade bei Jugendlichen“.

Die bayerische Landesregierung will nach dem Amoklauf die Polizei besser ausstatten, wie Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) nach einer Sondersitzung des Kabinetts in München sagte. „Die Bevölkerung kann sich darauf verlassen, dass wir als politisch Verantwortliche alles Erdenkliche tun werden, um unsere Bevölkerung zu schützen.“ Über die verbesserte Azusstattung der Polizei in Bayern war ohnehin schon zuvor eine Kabinettssitzung für den kommenden Dienstag vereinbart, die durch den „Fall München“ sicher auf großes Medieninteresse stoßen wird.

Seehofer ließ durchblicken, dass es mehr Geld für die Polizei geben soll – sowohl für zusätzliche Stellen als auch neue und bessere Ausrüstung. Am Freitagabend waren etwa 2300 Polizisten im Einsatz gewesen, darunter auch die Spezialeinheit GSG 9 der Bundespolizei und eine Feldjägerkompanie der Bundeswehr, die in der Nähe Münchens stationiert ist, war in Alarmbereitschaft versetzt worden.

Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann fordert, dass sich die Polizei in Deutschland bei Terrorlagen von der Bundeswehr helfen lassen darf. In extremen Situationen wäre es völlig unbegreiflich, wenn gut ausgebildete Soldaten nicht eingesetzt werden dürfen, obwohl sie bereitstehen. „Menschen haben ein Recht auf Sicherheit“, sagte der CSU-Politiker der „Welt am Sonntag“. Das sei in den meisten europäischen Ländern selbstverständlich.

Der Schweriner Innenminister Lorenz Caffier (CDU) hat sich für eine verstärkte Videoüberwachung ausgesprochen. Um solche schrecklichen Taten bereits im Vorfeld zu erkennen oder zumindest ihre Folgen abmildern zu können, müsse man sich politisch entscheiden, „ob wir zukünftig mehr Sicherheit oder mehr Datenschutz in Deutschland haben wollen“, sagte Caffier am Samstag. „Ich bin ganz klar dafür, die Videoüberwachung im öffentlichen Raum deutlich auszuweiten, zur Gefahrenabwehr und um damit Amokläufer und Terroristen und extremistische Gewalt schneller stoppen zu können.“

Die EU fordert ohne bereits ein schärferes Waffenrecht nach den Anschlägen von Paris. Diese Pläne, das Waffenrecht zu verschärfen, sind innerhalb der Gemeinschaft allerdings sehr umstritten. Polen und Tschechien lehnen jede zusätzliche Auflagen ab. Der EU-Kommission dagegen sind die angedachten Verschärfungen viel zu lasch.

In der Konsequenz heißt das allerdings, dass jetzt wieder viel geredet wird, und vielleicht bekommen wir auch ein etwas verschärftes Waffengesetz in einigen Monaten, aber darin sind dann wieder derartig „wenns“ und „abers“ enthalten, die hier und da Ausnehmen zulassen, dass es nur eine Frage der Zeit ist, wann wir wieder ein München, Eching und Freising (2002), Emsdetten (2006) und Winnenden und Ansbach (2009) erleben werden.

von

Günter Schwarz  – 24.07.2016