Wer braucht »Qualitätsjournalismus«? Mit dieser Frage beschäftigen sich Verlagshäuser und Zeitungsverlage, um einbrechenden Leserzahlen entgegenzuwirken. Insbesondere nachdem der Pegida-Schlachtruf der »Lügenpresse« durch das Land getrommelt wurde, ließen Umfragen darauf schließen, dass die Bevölkerung der Presse tatsächlich nicht besonders viel Vertrauen vorschießt. Immer wieder gerät die Berichterstattung in die Kritik: mal sei sie zu »reißerisch«, mal zu schnell, dann wieder zu langsam, immer mal wieder der Vorwurf einer Fehlberichterstattung oder bewussten Verschleierung… irgendwas ist ja immer.

Die Branche war auf dem Ohr nicht taub. Mit viel TamTam formierte sich krautreporter.de und ging im Oktober 2014 auf den Markt. Das Online-Magazin finanzierte sich über Crowdfunding, um einen unabhängigen Journalismus ohne Werbung zu garantieren. Damit seien die Journalisten dann gleichfalls nicht abhängig von den Interessen irgendwelcher Firmen oder Parteien. Eine Tageszeitung ersetzt dieses Online-Magazin allerdings nicht. Die Artikel auf Krautreporter sind schön geschrieben, gut recherchiert und ergänzen sicherlich eine Information – »brandaktuell« sind sie allerdings nicht.

Bei aktuellen Nachrichten verlässt sich die »Tagespresse« in erster Linie auf Meldungen der Presseagenturen wie Reuters oder dpa. Im Normalfall wird ein Journalist dann im Rahmen seiner eigenen Recherche noch Meldungen der internationalen Presse abgleichen und dann seinen Artikel schreiben. Zeitgleich mit all den privaten Nachrichten und Gerüchten, die derweil schon angeregt auf Facebook und Twitter durch das digitale Dorf trompetet werden.

Am Ende hat der Leser dann eine Fülle von Informationsfetzen unterschiedlichster Quellen, die selten zusammen passen. Dass man sich dabei nicht besonders gut informiert fühlt, läge auf der Hand. Auf fein säuberlich ausgearbeitete Berichte warten möchte allerdings auch niemand.

Fazit: Wer braucht »Qualitätsjournalismus«? Es gibt Journalisten, die mit sehr viel Engagement Hintergründe recherchieren, Fragen stellen und sich ernsten Themen widmen. Am Ende werden aber Nachrichten wie »Berliner Paar vögelt im Park« tausendfach mehr geteilt und gelesen, wie eine Abhandlung über Datenschutz, Politik oder Wirtschaft.

Qualitätsjournalismus braucht Leser, die ebenfalls einen qualitativen Anspruch haben – bzw. die kein Interesse daran haben, sich mit Informationsfetzen und Gerüchten zufrieden zu geben.

von
Michael Schwarz – 5.08.2016