Da ist er also, der Pokémon-Go-Hype – und auch die Gamescom in Köln kommt trotzn aller Neuheiten nicht an Pokémon Go vorbei. Und während die einen schon wie wild auf die Jagd gehen, sitzen die anderen da und kratzen sich verwundert am Kopf, weil ihre gesamte soziale Umgebung das Handy nicht mehr aus der Hand gibt. Oder die schlimmsten Frischluftmuffel machen plötzlich das Wandern in Gottes Natur zu ihrem Lebensinhalt. Ich gehöre zu den eher „Ungehypten“ und wundere mich nur über Leute, die wegen Pokémon Go vors Auto laufen oder Radfahrer vom Fahrrad schubsen.

Als Pokémon vor etwa 20Jahren zum ersten Mal grad groß in Mode war, war ich definitiv weit weg von dem „Hypetrain“. Das Einzige, was mich mit den putzigen Kampfknäueln jemals verbunden hat, war Pokémon-Pinball für den Gameboy. Wem das nichts sagt: Man spielte Pinball und sammelte darüber Pokémon. Immerhin kann ich da mit Stolz behaupten, dass mein Pokédex komplett gefüllt war. Aber anders als andere verbinde ich mit Pokémon keine großen Erinnerungen oder Emotionen. Dementsprechend ist der plötzliche Pokémon-Go-Hype für mich etwas, das ich teils mit Neugierde, teils amüsiert und bisweilen mit einer gewissen Skepsis betrachte.

Pokémon Go – Handyhypnose

Seit einigen Tagen scheint es aber so, als sei die Rate an Menschen, die beim Laufen ihr Handy hypnotisieren, nochmal um ein paar hundert Prozent gestiegen. Und ich gebe zu, ich konnte mir ein Kichern nicht verkneifen, als es dabei neulich Abend einen jungen Herrn beinahe gewaltig über einen Poller gestreut hätte. Dabei, so ehrlich muss man sein, sind Leute, die ihre Umwelt auf das Display ihres Handy reduzieren ja längst kein Novum mehr. Ich bin auch bisweilen dermaßen in Facebook versunken, dass ich an meinem Ziel ankomme, ohne mich aktiv an den Weg zu erinnern. Die Zeiten sind nun mal hart, aber modern.

Pokémon Go – Positive Auswirkungen

Tja, und jetzt ist da dieses Pokémon Go und den Menschen um mich herum ist anscheinend das Handy an der Hand festgewachsen. Im Grunde genommen störe ich mich nicht daran, wenn die Leute Spaß haben, sind sie auch besser drauf. Und es ist auch irgendwie nett, dass plötzlich die größten „Couch-Potatoes“ zu passionierten Spaziergängern mutieren und stolz von ihren mehrstündigen Wanderungen berichten. Frische Luft und Bewegung – Pokémon Go hat dem „Zockertum“ eine gesundheitsfördernde Note beigefügt. Den Spruch mit den Kellerkindern können sich „Anti-Nerds“ also erst einmal gewaltig sparen.

Ds klingt also alles schön und gut soweit, die Zocker fluten in die freie Natur, haben ihren Spaß und obendrein ist Pokémon Go ja wirklich ein grundlegend friedfertiges Spiel. „Nix“ mit bösem Amoklauf-Shooter und dazu ist es noch dazu prinzipiell kostenlos, also werden kleine Kinder nicht um ihr Taschengeld gebracht. Spätestens jetzt dämmert es einem: Das ist alles ein wenig zu schön, um wahr zu sein. Irgendwo muss doch da der Haken sein!?

Pokémon Go – Unfälle und Raubüberfälle

Der Haken ist der Mensch per se, der einfach dazu neigt, aus netten Dingen etwas zu machen, das in einem den Wunsch weckt, mit dem Kopf die Tischplatte zu verbeulen. Denn kaum gibt es etwas, das die Leute auf die Straße und an spezielle Orte lockt, kriechen schon diejenigen aus ihren Löchern, die anderen gerne schaden. Raubüberfälle dank Pokémon Go – wie mies ist das denn? Poké-Criminals ist schon jetzt mein persönliches Unwort des Jahres. Auf der anderen Seite stehen diejenigen, bei denen die eigene Dummheit das Licht trübt, das auf Pokémon Go und seine Nutzer fällt.

Bei aller Liebe zur inbrünstigen Begeisterung für ein Spiel: Ein kleinwenig auf die Umgebung achten kann man dann doch. Ich meine, wie peinlich ist das denn, wenn man aufgrund exzessiver Handy-Süchtelei in den Tod stürzt, vor die Tram oder Autos läuft oder sich oder andere sonst wie verletzt? Unfälle wegen Pokémon Go sind halt echt ein krasses „No Go“. Ganz zu schweigen von jenen, die Polizeistationen oder andere wichtige Einrichtungen belagern, nur weil sich dort grad ein Pokémon rumtreibt. Noch kurioser finde ich, dass es an amerikanischen Autobahnen mittlerweile große Leuchtreklame gibt mit der Aufschrift „Don’t Pokémon and drive!“. Wenn das wirklich nötig ist, dann möchte ich bitte wieder die angeblichen „Kellerkinder“ aus DOS-Zeiten zurück. Die taten wenigstens keinem weh!

Pokémon Go – Dann mach ich halt mit

Man darf mich an dieser Stelle nicht falsch verstehen. Ich hab‘ nichts gegen Pokémon Go. Ganz im Gegenteil, ich werd’s mir sicher auch aufs Handy holen und werde es mir dieser Tage bestimmt mal reinziehen., sobald ich die Zeit dazu finde – Einfach nur so aus Neugierde, weil ich wissen möchte, was die anderen nur an diesem Spiel so fasziniert. Aber spätestens dann, wenn das erste Auto wegen mir eine Vollbremsung hinlegt, lösche ich den Spaß wieder. Sofern ich hinterher noch fähig dazu bin, irgendetwas zu löschen. In diesem Sinne: Schnappt sie euch alle! Und Augen auf beim „Eier(ausbrüt)lauf“!

von

Günter Schwarz – 19.08.2016