Al Capone galt als glänzender Unterhalter. Er war auf Anlässen ein gern gesehener Gast und besaß ausgezeichnete Umgangsformen. Ein Geschäftsmann eben… Verbrechen ließen sich ahnen, aber nicht beweisen – letztlich wurde Al Capone dann auch nicht für seine Teilnahme an organisiertem Verbrechen verurteilt, sondern für Steuerhinterziehung. Ganz ähnlich der Lebenslauf von Meyer Lansky. Der Mobster Lansky galt als »Bankier des organisierten Verbrechens« und war einer der führenden Köpfe der sogenannten Kosher Nostra. Bis an sein Lebensende, im Jahre 1983, konnte man ihm kein Verbrechen nachweisen.

Nun ist der russische Milliardär Andrei Igorewitsch Melnitschenko mit seiner Yacht »A« in Kiel zu Gast, um sich seine, in Kiel in Auftrag gegebene, »Segelyacht A« anzuschauen. Der Dreimaster gilt als größte Segelyacht der Welt. Aufsehen erregte auch seine Anreise in der futuristischen Motoryacht »A«. SHZ und Kieler Nachrichten berichteten ehrfürchtig über die Reise durch den Nord-Ostsee-Kanal und die Ankunft an der Kieler Schleuse. Die sozialen Medien überschlagen sich mit Fotos der Yacht – jeweils begleitet von bewundernden Kommentaren der Urheber. Die Geschmäcker sind verschieden. Die Kommentare reichen von »Geiles Teil!« bis hin zu der Meinung, dass es wirklich hübschere Yachten gäbe. Im Kanon der Kommentare schwingt jedoch stets Bewunderung für diesen Mann mit … Andrei Melnitschenko … prominenter Besuch in Kiel.

Sein Lebenslauf liest sich, wie ein kleines russisches Wintermärchen. Der Milliardär wurde 1972 in der Stadt Gomel geboren. Die Stadt ist nicht eine der symbolträchtigen russischen Metropolen, sondern ein Nest an den südwestlichen Ausläufern des Woronescher Mittelgebirges. Andrei studiert, wie sein Vater, Physik. Während nach dem Zerfall der Sowjetunion viele seiner Berufskollegen an den Moskauer und Sankt Petersburger Universitäten um das nackte Überleben kämpfen (die Gehälter von Lehrkörpern und Professoren wurde in dieser Zeit drastisch gekürzt), gründet der pfiffige Andrei eine Wechselstube und verdient sein Startkapital, in Höhe von (angeblich) 50.000 USD. 1993 gründet der aufstrebende Unternehmer eine Bank, die sich „irgendwie“ um das Jahr 2000 völlig auflöst. Dass in den Jahren von 1998 bis 2000 ein »Bankensterben«, in Russland die Runde machte, im Zuge dessen Banken Konkurs anmeldeten und die Konten und Sparguthaben der Kunden von den Geldinstituten einbehalten wurden, steht nicht in Andreis Lebenslauf. Es muss also purer Zufall sein, dass er gerade in der Zeit zu ausreichend Kapital kommt, um ein Industrieimperium aufzubauen, das heute chemische Werke, Kohlegruben, Stahlhütten und 6 % der russischen Stromerzeugung umfasst. Also kam der Mann (rein zufällig) genau in der Zeit (mit einer Bank) zu sehr viel Kapital, in welcher Millionen von Menschen in Russland quasi ihren letzten Spargroschen (an die Banken) verloren. Da hatte der pfiffige Andrei aber wirklich Glück.

Das Glück verhalf ihm zu einem Vermögen von 5,9 Mrd. USD und auf der Liste der reichsten Russen reicht es für den 18. Platz. Da darf sich die Lokalpresse also glücklich schätzen, wenn sie einen Blick auf die 119 Meter lange Mega-Yacht mit dem Namen »A« werfen darf…

Dass Oligarchen sehr enge Beziehungen zu einer korrupten Regierung pflegen, Menschen bis auf den letzten Blutstropfen ausbeuten und dabei lächelnd über Leichen gehen, scheint dabei egal. Während ein kleiner Taschendieb aus dem Sophienhof mit einer mehrmonatigen Haft- oder Bewährungsstrafe zu rechnen hat, hält Kiel vor Ehrfurcht den Atem an und macht fleißig Fotos von dem obzönen Reichtum des Herrn Melnitschenko.

Perversion vom Feinsten! … aber … Meyer Lansky war sicher auch nur ein netter alter Mann, nachdem heute Cocktail-Bars benannt werden und Kritiker sind sowieso nur neidisch.

von
Michael Schwarz – 27.08.2016