Nach dem Putschversuch in der Türkei haben Diplomaten des Landes Medienberichten zufolge Asyl in Deutschland beantragt. Wie die „Süddeutsche Zeitung“ nach gemeinsamen Recherchen mit NDR und WDR gestern am Freitag unter Berufung auf Regierungskreise berichtete, sind mindestens drei Fälle bekannt. Die Diplomaten, die im Ausland um Asyl ersuchen, nennt der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu „Verräter“ und droht ihnen unverhohlen.

Mehrere türkische Diplomaten widersetzen sich nach dem gescheiterten Putsch ihrer Zurückbeorderung in die Heimat und suchen Asyl im Ausland. Außenminister Mevlüt Cavusoglu drohte ihnen am Donnerstag mit rechtlichen Schritten. Die Frist ist verstrichen, bis zu der die Diplomaten in die Türkei zurückkehren sollten, um sich den Ermittlungen der Behörden zu stellen.

Insgesamt seien acht türkische Diplomaten in Deutschland von den Maßnahmen der Regierung in Ankara nach dem Putsch betroffen gewesen, hieß es weiter. Einige von ihnen seien ausgereist. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) habe über die drei Asylanträge noch nicht entschieden. Die Regierung in Ankara habe ihrerseits bisher nicht gegen den Aufenthalt der Diplomaten in Deutschland protestiert.

Kein Kommentar von türkischer Botschaft

Stellungnahmen des deutschen Innenministeriums und des BAMF waren zunächst nicht zu erhalten. Die türkische Botschaft lehnte einen Kommentar ab. Die Anträge könnten die deutsch-türkischen Beziehungen weiter belasten. Die Regierung in Ankara macht für den gescheiterten Putsch Verbündete des Predigers Fethullah Gülen verantwortlich und ging gegen Zehntausende mutmaßliche Anhänger im In- und Ausland vor. Gülen weist die Vorwürfe zurück.

70.000 Beschwerden gegen Verfahren

Unterdessen legten in der Türkei mehr als 70.000 Türken Beschwerde gegen die Verfahren ein, die nach dem gescheiterten Militärputsch gegen sie eingeleitet worden waren. Ministerpräsident Binali Yildirim versicherte, jede der Beschwerden werde eingehend geprüft, ein entsprechender Mechanismus sei von den Ministerien eingerichtet worden.

Das werde aber dauern, sagte Yildirim weiter. Die Regierung hat seit dem Umsturzversuch von Teilen des Militärs Zehntausende Soldaten, Polizisten, Justizbeamte, Ministeriumsmitarbeiter und sonstige Staatsbedienstete suspendiert, entlassen, verhaftet oder in Untersuchungshaft genommen.

Rund 3.000 Medienangestellte in der Türkei haben seit dem vereitelten Putschversuch ihre Arbeitsplätze verloren. Betroffen sind vor allem Journalisten und Kameraleute, wie die türkische Gewerkschaft DISK meldete.

von

Günter Schwarz – 08.10.2016