(Hannover) Die massenhaften Krankmeldungen des fliegenden Personals bei TUIfly zeigen Wirkung auf die Konzernleitung, denn sie verschiebt die Entscheidung über die Zukunft des Ferienfliegers bis Mitte November auf. „Wir hoffen, dass dies unmittelbar zur Entspannung der Situation beiträgt“, teilte der Konzern am Freitag mit.

Man nehme die Sorgen und Ängste der Mitarbeiter ernst. Daher werde bereits jetzt unter anderem zugesagt, dass TUIfly für die Dauer von mindestens drei Jahren eine deutsche Gesellschaft mit Sitz in Hannover bleibe. Zudem behielten Betriebsvereinbarungen und Tarifverträge Gültigkeit, und es werde keine Einschnitte bei den Gehältern geben. Weitere Gespräche mit Arbeitnehmervertretern seien ab Montag geplant.

Bei dem Ferienflieger waren am Freitag alle 108 geplanten Verbindungen ausgefallen, weil sich Piloten und Kabinenpersonal massenhaft krankgemeldet hatten. Die Beschäftigten reagieren damit nach Aussagen von Gewerkschaftern auf Pläne der Konzernführung, aus TUIfly und Teilen von Air Berlin ein neues Ferienflugunternehmen zu schmieden.

Flugbetrieb soll sich am Wochenende normalisieren

Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) sagte am Freitagabend in Hannover: „Es gibt eine Einigung. Ich hoffe, dass am Sonntag wieder ein geregelter Flugbetrieb möglich ist.“ Details nannte er aber nicht, bevor er zu einem Krisentreffen mit allen Beteiligten ging. Er begründete seine Zuversicht mit Gesprächen, die er unmittelbar vor Beginn des Treffens mit dem zuständigen TUI-Vorstand geführt habe. Ein Sprecher von TUI Deutschland bestätigte, dass eine Lösung in Sicht sei. Zur Frage, ob am Sonntag wieder Flugzeuge in der Luft seien, sagte er: „Das versuchen wir.“

Warnung vor Imageschaden

Auch der deutsche Justizminister Heiko Maas (SPD) pochte auf ein schnelles Ende der Flugausfälle bei TUIfly und forderte im Gespräch mit den „Ruhr-Nachrichten“, den Konflikt nicht auf dem Rücken der Passagiere auszutragen. Kritik kam auch vom Tourismusforscher Torsten Kirstges, der den TUIfly-Mutterkonzern TUI vor einem Imageschaden warnte.

Mit Blick auf die Entschädigungsfrage sagte er: „Da hätte man sich besser bedeckt gehalten.“ Er gehe davon aus, dass die Gesellschaft entsprechende Prozesse verlieren werde und dann doppelt am Pranger stehe. Nach seiner Einschätzung liegt die ausreichende Personalausstattung in der Verantwortlichkeit des Arbeitgebers.

Hunderte Fluggäste sitzen in Urlaubsgebieten fest

Wegen der Flugausfälle sitzen rund 900 Gäste der Thomas-Cook-Veranstaltermarken Thomas Cook, Neckermann Reisen, Bucher Last Minute und Öger Tours in verschiedenen Urlaubsgebieten fest. Das teilte Thomas Cook am Abend mit. Um alle Gäste von den Kanarischen Inseln und aus Griechenland zurück nach Deutschland zu befördern, werde das Unternehmen kurzfristig acht zusätzliche Flüge, vor allem mit der konzerneigenen Airline Condor durchführen.

Mehr Kulanz fordern die Reisebüros, die für Urlauber Stornierungen oder Umbuchungen vornehmen müssen, ohne dass der Mehraufwand vergütet wird. Die aktuellen Probleme dürften nicht auf dem Rücken der Reisebüros ausgetragen werden, erklärte der Branchenverband DRV. Mitarbeiter der Büros seien Leidtragende bei der TUIfly-Krise.

Arbeitnehmervertreter fürchten Jobverluste

Vor einer Woche war bekanntgeworden, dass TUIfly in eine neue Dachholding mit Etihad integriert werden soll. Diese geschah, ohne dass die Arbeitnehmer seitens der Konzernführung davon unterrichtet wurden und viele es aus den Medien erfuhren. Arbeitnehmervertreter befürchten jetzt Jobverluste, und seitdem führen kollektive Krankmeldungen der Besatzungen zu zahlreichen Flugausfällen und massiven Verspätungen.

TUIfly versucht mit gemieteten Maschinen und Crews, einen Teil der Flugausfälle aufzufangen. Der Konzern hatte am Donnerstagabend zunächst mitgeteilt, den Flugbetrieb am Freitag weitgehend einzustellen. Seine Gäste will das Unternehmen nicht entschädigen. Eine Sprecherin betonte: „Die massenhaften und äußerst kurzfristigen Krankmeldungen sind ein außergewöhnlicher und nicht vermeidbarer Umstand im Sinne von höherer Gewalt.“ Ganz anders sieht das das Fluggastportal Flightright: Krankheitswellen zählten zu den normalen Betriebsrisiken, die Airlines zu jeder Zeit einkalkulieren müssten.

von

Günter Schwarz – 08.10.2016