(Harderslev) – In Dänemark hat ein Frachter das Zuchtbecken einer Fischfarm in der Nähe der kleinen Insel Arø im Kleine Belt gerammt. Sportfischer sollen nun mithelfen, die entwichenen Tiere zu fangen und Schäden am Ökosystem der westlichen Ostsee so gering wie möglich zu halten.

„Sportfischer, ran an eure Angelruten!“ so lautet der dringliche Aufruf von Sören Knabe an alle Angler im Süden Dänemarks im Raum Harderslev , die sich die Zeit gerne mit Angeln vertreiben. Knabe ist Vorsitzender der Umweltorganisation „Vandpleje Fyn“ (Wasserpflege Fünen) und Mitglied des Dänischen Sportfischer-Verbandes. Seine Sorge: Seit ein paar Tagen tummeln sich in den Gewässern des Kleinen Belts rund 80 000 gezüchtete Regenbogenforellen, die in unseren Gewässern in freier Wildbahn eigentlich nichts zu suchen haben.

Gefahr für das Ökosystem

Die Fische entkamen vor Wochenfrist, als ein Frachter auf seinem Weg von Kaliningrad nach Kolding bei der Insel Arø im Kleinen Belt mit einem Zuchtbecken einer Fischfarm kollidierte. Für den Zuchtbetrieb entstand laut einem Vertreter von Snaptun Fisk, dem vom Unglück betroffenen Unternehmen, ein Schaden von umgerechnet etwa 137 600 Euro. Die Forellen standen kurz vor der Schlachtung und Verarbeitung. Snaptun Fisk will von der Reederei des Schiffes denn auch Schadensersatz einfordern.

Weniger genau quantifizierbar, potenziell aber gravierender sind die Schäden, die dem Ökosystem in der Ostsee durch das massenweise Entweichen der aus Kanada stammenden Zuchtfische entstehen könnten. Wie Sören Knabe gegenüber dem dänischen Fernsehsender TV2 ausführte, entkamen die Regenbogenforellen just zu einem Zeitpunkt, da wildlebende Meerforellen die Mündungsgebiete von Flüssen aufsuchen, um zu laichen. Deren Eier stünden bei den Regenbogenforellen weit oben auf dem Speisezettel – sie wären im wahrsten Sinne des Wortes ein gefundenes Fressen. Komplizierend kommt laut Fachleuten hinzu, dass Meer- und Regenbogenforellen sich ähnliche Laichplätze suchen und die Zuchtfische damit fast gezwungenermaßen irgendwann auf die Brut ihrer entfernteren Artgenossen treffen.

In Umweltkreisen wird befürchtet, dass die Zuchtfische, die durch die ihnen verabreichte Kraftnahrung stärker und fitter seien als wildlebende Fische, schwächere Arten verdrängen könnten. Das sei ein Prozess, der jedoch über mehrere Generationen stattfinde.

Kein Thema scheint wenigstens zu sein, dass sich die Fremdlinge auf Kosten anderer Arten allzu sehr vermehren könnten. Bei den entwichenen Fischen handelt es sich um Weibchen, die für die Zucht kommerziell interessanter sind, weil es bei ihnen auch Rogen zu gewinnen gibt. Sie dürften es nicht einfach haben, in den Weiten der Ostsee Partner zur Paarung zu finden.

Vom Kostgänger zum Jäger

Könnte man den Forellen auf der Spur bleiben, gäben sie interessante Forschungsobjekte ab. Denn wie verhalten sich Fische, die Zeit ihres Lebens in zuverlässigem Rhythmus gefüttert wurden, wenn sie ihr Fressen plötzlich selber beschaffen müssen? Dazu noch im Herbst, einer Jahreszeit, in welcher Nahrung eher knapp ist? Andere Fischarten in der Ostsee, so zitierte die dänische Regionalzeitung „Der Nordschleswiger“ das meeresbiologische Institut Geomar in Kiel, hätten derzeit keine Laichzeit; Fischeier seien deshalb schwer zu finden. Und zudem hätten Zuchtfische keinen Sinn für Jagd entwickelt. Deshalb sei auch die Gefahr nur relativ, dass die Zuchtforellen die Bäche hoch schwimmen würden, um sich über den Laich ihrer Meeres-Artgenossen herzumachen.

Die Freizeit-Angler haben damit gute Chancen, dass die Köder an ihren Angelhaken den hungrigen Regenbogenforellen gerade recht kommen. Wie viele der Fische allerdings bereits auf dänischen und schleswig-holsteinischen Grills oder in Bratpfannen lagen, ist allerdings nicht bekannt.

von

Günter Schwarz  – 17.10.2016