(Husum / Flensburg) – Auf der Husumer Werft wurde gestern in einer äußerst schwierigen Operation der alte Dampfkessel aus Flensburg Schmuckstück, der „Alexandra“, mit einer Millimeterarbeit herausgeholt.  Und die Operation ist gelungen und „der Patient“ ist nicht tot, wie es gern in einem Witz heißt. Der Dampfer, der im wahrsten Sinne des Wortes ein Stück Flensburg ausmacht und zu Flensburg gehört wie der Schaum auf das „Flens“, soll schon im Dezember wird wieder in seinem Heimathafen Flensburg zurück sein.

Gestern um 14 Uhr begann in Husum ein neuer Lebensabschnitt der 108 Jahre alten Dame. An der Pier der Husumer Schiffswerft nahm der große Werftkran um 14 Uhr das Herzstück, den Dampfkessel, an den Haken, das die „Alexandra“ 108 Jahre lang angetrieben hat. Der alte Kessel, der 1908 bei Janssen & Schmielinski in Hamburg gebaut wurde, soll in den nächsten Tage durch einen neuen Dampferzeuger ersetzt wurde und der extra für Flensburgs schwimmendes Wahrzeichen  bei Wulff & UMAG gebaut wurde.

Das Problem des alten Kessels war, dass er wie zur Bauzeit der „Alexandra“ üblich genietet wurde. Die Kunst des Nietens aber beherrscht heutzutage niemand mehr. Und so musste bei der letzten Reparatur ein Teil des Kessels geschweißt werden. Doch Schweißnähte und genietete Verbindungen reagieren unter der immensen Hitze verschieden – sie „passen“ einfach nicht zueinander. Somit konnte der Kessel die Druckprobe nicht mehr überstehen und die Entscheidung fiel: ein neuer Dampfkessel muss her!

Für die Entnahme des wichtigsten Organs des Dampfers hatten die Husumer Werftarbeiter zuvor ein exakt vier mal vier Meter messendes Loch quer durch alle Decks hindurch ins Schiff geschnitten. Den Kapitän der Alexandra. Günter Herrmann, der den Museumsdampfer Anfang des Monats auf dessen erster Nordseefahrt überhaupt nach Husum überführt hatte, nahm das ziemlich mit. „Sie war reichlich zerrupft“, ließ er sich in seine „Dampferseele“ gucken. „Mit der Kettensäge durch die Teakdecks – es zerreißt einem wirklich das Herz, wenn man jetzt vor diesem acht Meter tiefen Loch steht.“ Das Gute daran ist allerdings, die Alexandra wird in Husum entgegen dem gegenwärtigen Anschein nach ja nicht abgewrackt, sondern instandgesetzt und für die nächsten hoffentlich nochmals 108 Jahre wieder fit gemacht. Der Förderverein hat mit tätiger Hilfe des Denkmalschutzes, des Landes und vieler institutioneller und privater Spender für eine sorgenfreie Zukunft dieses einzigartigen Schiffs über 625  000 Euro investiert.

Noch besser ist zudem, dass, nachdem der Kran in millimetergenauer Präzisionsarbeit den 24 Tonnen schweren Alt-Kessel auf die Pier gesetzt hatte, im erstmals wieder sichtbaren Kesselfundament keine gravierenden Schäden zu erkennen waren. „Das sieht ganz gut aus“, freut sich Herrmann. „Wir sind ja seit dem Kieler Werftaufenthalt gebrannte Kinder.“ Im Frühjahr hatte die Routineinspektion nach dem Sandstrahlen in der Kieler Friedrich-Werft einige schlimme, teure Rostschäden offenbart. Darauf kann der Förderverein, dessen finanzielle Kalkulation seit dieser Überraschung mit einem Mal Spitz auf Knopf steht, gerne verzichten. Ganz offensichtlich hatte die Flensburger Schiffbau-Gesellschaft, die 1991 das Kesselfundament erstmals sanierte, gute Arbeit geleistet.

Für die Kranaktion hatten ehrenamtliche Helfer des Fördervereins bereits in Flensburg das Innenleben des Dampfers ausgeweidet, archiviert und für die Wiederverwendung eingelagert. In Husum wurden schließlich die letzten Kabel durchschnitten, Geräte und Instrumente abgebaut, die für die sichere Überführungsfahrt unverzichtbar gewesen waren. Nach dem nur 20 Minuten dauernden Eingriff gestern wurde das Schiff ins Dock gebracht. Hier soll in den nächsten Tagen der neue Kessel eingepflanzt und angeschlossen werden. Die Flensburger Alex-Helfer nutzen derweil die Zeit, um ausgebaute Teile wie etwa die auch „Rheumabank“ genannte Kesselverkleidung, wieder auf Vordermann zu bringen. Günter Herrmann rechnet damit, dass er sein Schiff im Dezember wieder in die Ostsee bringen kann. Bis zur Saison 2017 soll die „Alex“ wieder im alten Glanz erstrahlen, da ist Herrmann nach der gelungenen Aktion gestern ganz zuversichtlich. „Sicher, das tat weh, aber es muss weh tun, damit es dann auch wieder nach vorne geht“.

von

Günter Schwarz  – 20.10.2016