(Berlin) – Nur zwei Stunden nach dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Berlin twitterte PEGIDA-Mitbegründer Lutz Bachmann, dass interne Polizeiermittlungen auf einen tunesischen Verdächtigen hindeuteten. Woher hatte Bachmann diese Informationen?

Ein Tweet von Lutz Bachmann könnte sich in eine Liste einreihen, die man als „Fehler der Polizei“ betiteln könnte. Wusste der PEGIDA-Gründer Lutz Bachmann schon kurz nach dem Terroranschlag Details aus Polizeiermittlungen? Bereits Montagnacht, also nur Stunden nach dem Anschlag, sprach Bachmann in einem Tweet um 22:16 Uhr, kaum zwei Stunden später von einem „tunesischen Muslim“ als Täter. Die Quelle? Laut Bachmann waren es „interne Quellen der Berliner Polizeiführung“. Laut Spiegel Online hat sich die Behörde noch nicht dazu geäußert, denn sie hatte gerade einen Pakistaner festgenommen, der zunächst als Hauptverdächtiger galt. Bachmann bezog sich jedoch auf eine „internen Info“ aus der „Berliner Polizeiführung“, wonach der Täter ein tunesischer Moslem sei. „Das (sic!) der Generalbundesanwalt übernimmt, spricht für die Echtheit“, schrieb Bachmann weiter.

Am Mittwoch dann, als die Spur immer deutlicher nach Tunesien führte, legte Bachmann noch einmal nach. „Da stimmte meine Info von 1h nach dem Anschlag wohl doch? Polizei sucht nun Tunesier…“, twitterte er am Mittag. Wenige Stunden später schrieb das Bundeskriminalamt  Anis Amri schließlich öffentlich zur Fahndung aus.

Bachmanns Tweets sorgen für erhebliche Irritationen – denn die Frage ist, hat der PEGIDA-Gründer nur zynisch geraten, weil auch der Lastwagen-Attentäter von Nizza ein Tunesier war, und hatte möglicherweise leider recht? Oder hatte die Berliner Polizei doch schon kurz nach dem Anschlag Hinweise zu Amri, und jemand steckte diese Interna an Bachmann durch – zu einem Zeitpunkt, als die Ermittlungen zumindest offiziell noch in eine ganz andere Richtung, nämlich in die des festgenommenen Pakistaners, gingen?

Die Berliner Polizei weist diese Vorwürfe entschieden zurück. „Es ist hundertprozentig und eindeutig: Die Berliner Polizei hat erstmals am Dienstagnachmittag im Führerhaus des Lkw Hinweise auf einen tunesischen Tatverdächtigen gefunden“, sagte der Berliner Polizeisprecher Winfrid Wenzel. Mehr sei zu Bachmanns Tweet derzeit nicht zu sagen. Sie widersprechen komplett der Darstellung der Berliner Polizei. Erst dieser Fund habe zur Fahndung geführt. Öffentlich bekannt wurde der Name erst am Mittwoch am frühen Abend. Bachmann schrieb daraufhin bei Twitter: „Da stimmte meine Info von 1h nach dem Anschlag wohl doch? Polizei sucht nun doch Tunesier…“

Trotzdem könnte der Tweet des rechtspopulistischen PEGIDA-Gründers in den nächsten Tagen noch für erhebliche Diskussionen sorgen. Denn trotz des klaren Dementis der Polizei weckt die Causa Bachmann zumindest ungute Erinnerungen an den Fall der sogenannten Gruppe Freital in Sachsen, bei dem ein Bereitschaftspolizist verdächtigt wurde, Einsatzdetails vorab an führende Mitglieder der rechtsterroristischen Gruppe verraten zu haben. Der Beamte wurde vorsichtshalber vom Dienst suspendiert, ein Disziplinarverfahren wurde eingeleitet.

Bachmann: „Man braucht nur die richtigen Verbindungen“

Wie er an seine angeblichen internen Informationen gekommen sei, wurde Bachmann am Mittwoch auf Twitter offenbar in einem internen Mailwechsel von einer amerikanischen Reporterin gefragt. „Ziemlich einfach“, antwortete Bachmann auf Englisch: „Man braucht nur die richtigen Verbindungen und einen Whistleblower, der von den Lügen genug hat.“

Bei seiner für Verschwörungstheorien stets dankbaren Anhängerschaft schürt Bachmanns Tweet damit bewusst den Generalverdacht, der Staat habe in Berlin (wieder einmal) versucht, wissentlich Dinge zu verschleiern. „Wurde darum erst der Pakistani präsentiert? Pannen von Merkelpolitik, BKA usw. decken? Das lassen wir nicht zu“, twitterte Bachmann am Mittwochabend.

Diejenigen, die es immer schon gewusst haben, werden diese propagandistische Steilvorlage dankbar annehmen und auszuschlachten wissen.

von

Günter Schwarz – 22.12.2016