Donald Trump und Rechtspopulisten in ganz Europa gefährden die freie demokratische Welt. Dänemark sollte aus den Erfahrungen mit der Dansk Folkeparti „Dänischen Volkspartei) lernen – und helfen, Schlimmeres zu verhindern, schreibt Ruben Karschnick.

Der Vandale kam des Nachts, mit einer Schaufel bewaffnet. Er machte sich daran, ein Ortsschild auszugraben. Er grub sich zum Fundament hervor, riss das Schild es aus dem Boden und schmiss es über eine Mauer. Er verschwand – und mit ihm eine wochenlange Debatte über zweisprachige Ortsschilder.

Im Frühjahr 2015 hatte Haderslevs Bürgermeister Hans Peter Geil – heimlich zur Probe, wie er sagte – das Schild aufstellen lassen. Haderslev / Hadersleben stand darauf, auf Dänisch und Deutsch. Was in Flensburg und vielen Orten im Landesteil Schleswig schon lange die Regel war, wurde nun auch in Haderslev probiert. Dann die Reaktion: Viele liefen Sturm, insbesondere die Dansk Folkeparti, eine Diskussion entbrannte. Doch kaum war das Schild über die Mauer geworfen, war die Diskussion beendet. Der Bürgermeister erklärte, er wolle es lieber gut sein lassen mit dem zweisprachigen Ortsschild.

Was hat das mit Donald Trump zu tun? Eine ganze Menge. Die Geschichte um das Ortsschild zeigt einen unschönen Umgang mit dem Fremden, den wir nun auch beim Vandalen Donald Trump beobachten können. 

Welt der Möglichkeiten

Prinzipiell gibt es zwei Wege, mit neuen Situationen umzugehen. Anschaulich dargestellt werden sie in dieser Geschichte: Eine Schuhfabrik sendet zwei Marketing-Experten in eine Entwicklungsregion in Afrika, um Expansionsmöglichkeiten zu erforschen. Der eine schreibt zurück: „Situation aussichtslos: Die tragen keine Schuhe hier.“ Der andere schreibt: „Fantastische Möglichkeiten! Sie haben noch gar keine Schuhe.“

In dieser Geschichte aus dem Buch „The Art of Possibility“ des amerikanischen Dirigenten Benjamin Zander tun sich zwei Welten auf: Der erste Marketing-Experte lebt in einer Welt, die der Autor Zander die „Downward Spiral“ (Abwärtsspirale) nennt. Zu schwer, zu mühselig, zu gefährlich, zu kompliziert – so lauten die Sätze in dieser Welt. Der andere Marketing-Experte sieht die gleiche Lage, doch er zieht komplett andere Schlüsse. Er lebt in der „World of Possibilities“ (Welt der Möglichkeiten).

Angst vor dem Fremden

Es ist offensichtlich, in welcher Welt die Protestler aus Haderslev sich befanden. Ihr Aufbegehren begründet sich einerseits in der historisch bedingt schwierigen Beziehung zwischen Deutschland und Dänemark. Und noch viel mehr repräsentiert es eine generelle Angst vor dem Fremden. Sie zeigt sich in Kommentaren wie: „Dann kann man ja gleich auf Arabisch ausschildern“.  

Es ging nicht um ein Wörtchen mehr oder weniger auf ihrem Ortsschild. Das Schild war für die Bürger ein Symbol für die unliebsamen Veränderungen der Globalisierung. Schon seit langem war es ihnen ein Dorn im Auge, dass etwa Danfoss immer mehr Mitarbeiter ins billigere Ausland schickt. „Jetzt auch noch das Schild?“, werden sich viele gedacht haben. Das brachte das Fass zum Überlaufen. 

Alle Muslime zu verdächtigen, weil ein verschwindend geringer Anteil von ihnen Terroristen sind (und natürlich gibt es auch nicht-muslimische Terroristen wie Anders Breivik), folgt dem gleichen Prinzip. Es ist so absurd wie mächtig: Die Dansk Folkeparti und die Alternative für Deutschland (AfD) leben von diesem Prinzip, ja all die rechtspopulistischen Parteien in ganz Europa und eben auch Donald Trump. 

Mit ihren „Downward Spirals“, die sie über die Bedrohung ihres Landes und der Welt erzählen, finden sie millionenfach Zustimmung. Unter Menschen, die oft nichts lieber wollen, als die guten alten Zeiten zurück. „Make America great again“, verspricht deshalb Donald Trump. Als eine seiner ersten Amtshandlungen hat er ein Einreiseverbot für Bürger aus sieben überwiegend muslimischen Ländern verhängt. Die Dansk Folkeparti und die AfD finden es „inspirierend“ (DF) und „richtig“ (AfD). 

Mit Barack Obama war 2009 ein Präsident angetreten, der die „World of Possibilites“ pries. Er hatte sich der muslimischen Welt zugewandt. Wohl weil er wusste, dass eine Feindschaft Amerikas mit der zweitgrößten Religionsgemeinschaft der Welt nur schaden kann. In einer Rede im Juni 2009 an der Universität Kairo hatte er einen „Neubeginn“ zwischen den Vereinigten Staaten und den Moslems in aller Welt versprochen.

Mauern statt Möglichkeiten​

Mit Donald Trump ist damit Schluss. Statt Möglichkeiten wird es Mauern geben. Trump ist der Vandale, der die Muslime wie das unliebsame Ortsschild am liebsten hinter einer Mauer verschwinden lassen würde. Ohne politische Diskussion, im Dunkeln. Dazu passt, dass er am Gefangenenlager Guantanamo festhalten will und der CIA erlauben möchte, wieder „black sites“ einzurichten, geheime Gefängnisse, rechtsfreie Räume, irgendwo auf der Welt.

Grund zur Verzweiflung? Resignation? Es kann jetzt nur darum gehen, für die „World of Possibilites“ einzutreten und gegen die „Downward Spirals“ zu argumentieren, wo immer es geht. 

Die deutsche Bundeskanzlerin macht es vor: „Der notwendige und auch entschiedene Kampf gegen den Terrorismus rechtfertigt in keiner Weise einen Generalverdacht gegen Menschen bestimmten Glaubens, in diesem Fall Menschen muslimischen Glaubens, oder Menschen einer bestimmten Herkunft.“

In Dänemark sind solche deutlichen Worte traditionell schwierig. Zu sehr dominiert eine Auffassung von Meinungsfreiheit, die besagt, dass auch rechten Parolen kaum widersprochen wird. Die Ministerin Inger Støjberg (Venstre) darf zur besten Sendezeit im Fernsehen ausländerfeindliche Sätze von sich geben, ohne dass es jemanden kümmert. Von den täglichen Unverschämtheiten, die Dansk Folkeparti veröffentlicht, ganz zu schweigen.

„Es wird nicht genug widersprochen“

Nach den Anschlägen in København im Februar 2015 gab es ein kurzes Innehalten. Einige fragten sich, ob diese Art der Offenheit, die man auch als ungezügelten Rassismus auslegen kann, wirklich klug ist. Der Autor Carsten Jensen schrieb damals in einer Analyse: „Es wird nicht genug widersprochen.“ Es gebe ein offenes und integratives Dänemark, eine Zivilgesellschaft, die versuche, Mauern einzureißen. Doch das tolerante Dänemark werde von keinem Politiker angesprochen. „Es wird nicht aufgefordert, vor den Mikrofonen zu sprechen. Dieses tolerante Dänemark ist dabei, zu verstummen.“

Dieses Stummbleiben hat in den vergangen zwei Jahrzehnten bereits die Dansk Folkeparti zu einem Durchmarsch verholfen. Noch im Jahr 1999 hatte der ehemalige Staatsminister Poul Nyrup Rasmussen in einer Parlamentsdebatte gewarnt: Die Dansk Folkeparti sei dabei, ein ethnisches Prinzip in der Politik einzuführen, das Dänemark vor einigen Monaten noch im Kosovo bekämpft hätte. Rasmussen schloss mit den inzwischen berühmten Worten: „Egal, wie sehr ihr euch anstrengt, stubenrein werdet ihr nie!“

Doch schon zwei Jahre später hatte die Partei bei der Wahl 13 Prozent der Stimmen erhalten und schaffte den Durchbruch: Der damalige Parteichef der Liberalen, Anders Fogh Rasmussen, ließ sich in einer Minderheitsregierung von der Partei tolerieren. Damit war der Vorwurf, sie sei nicht stubenrein, von der Realität widerlegt worden. Heute ist Dansk Folkeparti bekanntermaßen die stärkste Partei im Regierungsblock.

Kritische Worte vom Außenminister

Es gibt durchaus Anlass zur Hoffnung, dass Trumps rassistische Parolen nicht so unkritisch hingenommen werden wie jene von der Dansk Folkeparti. Nachdem Staatminister Løkke zu Trumps Amtsantritt noch gutgelaunt diplomatische Glückwünsche ausgesprochen hatte („unsere Freundschaft wird wachsen“), schlug einer seiner Minister nach Bekanntwerden des Einreiseverbots kritischere Töne an. Anders Samuelsen (Liberal Alliance) bezeichnete das Verbot in einem Facebook-Beitrag als „unklug“. „Wir sollten einander als Individuen begegnen und beurteilen“, schrieb er und zu TV2 News sagte er: „Ich wundere mich über diesen Zug von Trump. Es wirkt wie eine Art Symbolpolitik, die sehr schwere Folgen hat.“ Er halte das für eine „Überreaktion“. 

Unterstützung bekam Samuelsen unter anderem vom friedenspolitischen Sprecher der Alternativen-Fraktion, René Gade: „Natürlich ist es ein politischer Balanceakt für unsere Minister, Zusammenarbeitspartnern zu widersprechen – aber es muss widersprochen werden“, schrieb er in einem Kommentar. Genau darum dürfte es jetzt gehen.

von

Ruben Karschnick – 03.02.2017