„Donald Trump lügt“ – sagen die Medien. „Die Medien lügen“ – sagt Donald Trump. „Wir alle lügen oder bedienen uns „aklrenatver Wahrheiten“, und zwar jeden Tag“ – sagt Lügenforscher Klaus Fiedler im Interview.


Klaus Fiedler ist Professor für Sozialpsychologie an der Universität Heidelberg. In seiner Forschung beschäftigt er sich unter anderem mit der Bedeutung der Lüge in der Kommunikation.
Klaus Fiedler, Sie sind ein anerkannter Lügenexperte. Hand aufs Herz: wann haben Sie das letzte Mal gelogen?

Klaus Fiedler: Gute Frage! Durch meine Arbeit und Forschung bin ich zu einem Ehrlichkeitsfanatiker geworden. Ich mache mich oft unbeliebt, weil ich die unbequeme Wahrheit sage. Trotzdem ertappe ich mich immer mal wieder dabei, dass ich einer Person ein Kompliment mache. Aber man muss den Menschen zwischendurch mal positives Feedback geben.

Sind Komplimente denn gelogen?

Nicht immer, aber oft. Nehmen wir zum Beispiel das Flirten – eine regelrechte Orgie von Komplimenten. Wenn wir jemanden beeindrucken oder umgarnen wollen, tendieren wir dazu, zu flunkern, um die andere Person für uns zu gewinnen. Auch im Alltag lügen wir oft. Mehr als die Hälfte unserer Äußerungen entsprechen nicht der ganzen Wahrheit, sondern sind ein bisschen frisiert.

Wir belügen unsere Mitmenschen also jeden Tag. Ist das nicht verwerflich?

Nein, die meisten Lügen im Alltag sind moralisch nicht verwerflich, sondern harmlos und gut gemeint. Meist lügen wir aus Taktgefühl, aus Höflichkeit oder aus Rücksichtnahme auf unsere Mitmenschen. Solche Lügen sind für das soziale Miteinander unerlässlich – das Leben wäre ohne sie nicht denkbar. Es gibt aber auch die gemeinen und plumpen Lügen: wenn man einem anderen Menschen in die Augen schaut und bewusst und voller Eigennutz absichtlich die Unwahrheit sagt.

Der neue US-Präsident Donald Trump wurde mehrfach der Lüge überführt und trotzdem ist er bei seinen Anhängern beliebt. Warum?

Das ist Kalkül. Je provokativer und abwegiger seine Äußerungen, desto mehr Aufmerksamkeit ist ihm gewiss. Donald Trump hat sicherlich mehrfach gelogen. Doch seine Gegner haben auch schnell entdeckt, dass es eine gute Strategie ist, ihn als Lügner hinzustellen. Vieles, was man ihm vorwirft, ist gar nicht unbedingt gelogen.

Was denn zum Beispiel?

Wenn Trump zum Beispiel sagt, dass er das größte Publikum an der Inauguration Feier hatte, dann glaubt er vielleicht tatsächlich daran. Oder er will seinen Anhängern mit dieser Aussage ein Kompliment machen. Wir müssen unterscheiden zwischen unüberlegten Äußerungen, die zwar einer Grundlage entbehren aber gut gemeint sind und bewussten, strategischen Lügen aus purem Eigennutz. Fakt ist aber: In der Politik wurde schon immer viel gelogen, das ist kein Trump-Phänomen.

Warum sind Lügen in der Politik derart verbreitet?

Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, ich wüsste es. Aber Politiker, die in der Öffentlichkeit stehen, werden immer wieder zu Aussagen genötigt. Dabei befinden sie sich oft in Situationen, wo über Dinge kommuniziert wird, über die man sich eigentlich gar noch nicht äußern kann. Trotzdem äußern sich die Politiker dazu, sei es aus strategischen oder kommunikativen Gründen. Vielfach entstehen so Lügen, die einem nachlässigen Umgang mit der Wahrheit entstammen. Das ist unredlich und gar nicht so weit entfernt von der plumpen Lüge.

Was haben Politiker-Lügen für Konsequenzen?

Dass Problem ist, dass Politiker lügen, ohne, dass wir dies sanktionieren. Auch wenn sich herausstellt, dass ein Politiker plump gelogen hat, führt das oft zu keinen Konsequenzen im Wählerverhalten. So begünstigen wir, dass Politiker sehr freigiebig von der Wahrheit abweichen. Gefährlich wird das dann, wenn positiv motivierte Unwahrheiten umschlagen in eigennützige und instrumentalisierende Lügen. Hier müssen wir viel sensibler sein und Politiker nachhaltig der Lügen überführen.

von

Günter Schwarz – 15.02.2017