Rund 13 Millionen Niederländer sind aufgerufen, am 15. März ein neues Parlament zu wählen. Lange Zeit sah es nach einem Durchmarsch für den Populisten Geert Wilders und seine PVV aus. Doch neueste Umfragen sehen die liberale VVD wieder fast gleichauf.

Es könnte doch noch mal eng werden, denn laut der Webseite Peilingwijzer, die sich auf sechs unterschiedliche Umfragen stützt, liegen die Partij voor de Vrijheid (PVV / Partei für die Freiheit) von Geert Wilders und die Volkspartij voor Vrijheid en Democratie (VVD / Volkspartei für Freiheit und Demokratie) von Ministerpräsident Mark Rutte drei Wochen vor den Wahlen gleichauf. Noch vor wenigen Wochen hatte es noch nach einem klaren Wahlsieg für Wilders ausgesehen.

Laut Peilingwijzer käme die PVV im Augenblick auf 24 bis 28 der 150 Sitze im Unterhaus. Das entspricht 15,8 bis 17,6 Prozent der Stimmen. Die VVD von Regierungschef Rutte steht bei 23 bis 27 Sitzen, was 15,2 bis 16,9 Prozent der Stimmen bedeutet. Der Webseite zufolge sind die Werte für die Regierungspartei seit einigen Wochen konstant, während die PVV drei Sitze eingebüßt habe.

Ein Fiasko kündigt sich derweil für den Juniorpartner in der niederländischen Regierung an. Die Sozialdemokraten kommen zurzeit nur auf acht Prozentpunkte. Damit steht die Partij van de Arbeid (PvdA / Partei der Arbeit) kurz vor der Bedeutungslosigkeit. Die niederländischen Sozialdemokraten haben in der Koalition mit den Liberalen der VVD einige unpopuläre soziale Einschnitte mitgetragen und bekommen nun offenbar die Quittung an den Wahlurnen.

Ähnlich wie in Deutschland steigt auch in den Niederlanden die Langzeitarmut trotz guter Wirtschaftsdaten. Ein milliardenschwerer Sparkurs in den letzten Jahren hat seine Spuren bei der niederländischen Bevölkerung hinterlassen. So wollen einer aktuellen Umfrage zufolge 57 Prozent der Befragten zurück zum staatlichen Gesundheitssystem. Im Jahr 2006 war das staatliche System durch ein System privater, konkurrierender Versicherer ersetzt wurden.

Die Selbstbeteiligung bei Arztkosten stieg von 150 Euro jährlich im Jahr 2008 auf mittlerweile 385 Euro in diesem Jahr. Doch während die Partei von Ministerpräsident Rutte in den Umfragen relativ konstant bleibt, werden vor allem die Sozialdemokraten für die Sozialpolitik der letzten Jahre abgestraft. Der Vergleich mit der bundesdeutschen SPD und ihrem so genannten Agenda-Trauma drängt sich auf.

Geert Wilders, der sich politisch nicht immer eindeutig zuordnen lässt, hatte im Endspurt des Wahlkampfes noch einmal an der verbalen Schraube gedreht. Während der Populist bei Themen wie LGBT und Sozialpolitik eher auf einer Wellenlänge mit dem linken Spektrum liegt, befindet er sich bei den Themen Europa und Immigration sehr nah bei Marine Le Pen und dem Front National sowie der dänischen Dansk Folkeparti (Dänische Volkspartei) und de deutschen AfD (Alternative für Deutschland).

Während eines Wahlkampf-Auftritts sprach Wilders kürzlich davon, dass es „viel marokkanischen Abschaum in Holland“ gäbe. Zuvor hatte er schon von Moscheen als „Nazi-Tempeln“ gesprochen und den Koran mit „Mein Kampf“ von Adolf Hitler verglichen. Wilders lebt seit 12 Jahren mit seiner Frau an einem unbekannten Ort, da er regelmäßig Morddrohungen erhält.

Nun ermittelt die niederländische Justiz gegen einen Personenschützer von Wilders. Es geht um den Verdacht des Geheimnisverrats. Der Polizist von der für den Personenschutz zuständigen Einheit DBB wurde festgenommen. Laut niederländischen Medien handelt es sich bei dem Festgenommenen um einen Mann mit marokkanischen Wurzeln. Ihm wird vorgeworfen, Informationen über Wilders Aufenthaltsorte an ein niederländisch-marokkanisches Gangstersyndikat weitergegeben zu haben.

Wilders hat daraufhin alle weiteren Wahlkampf-Auftritte bis auf Weiteres abgesagt. Dafür meldete sich zum ersten Mal der Bruder des Populisten in den Medien zu Wort. Der neun Jahre ältere Paul Wilders gab dem Spiegel ein Interview. Darin spricht er davon, dass es für seinen Bruder „keine Kompromisse“ gäbe. Er sei schon in seiner Jugend „eine entsetzliche Plage“ gewesen. Egozentrisch und aggressiv sei er gewesen, so Paul Wilders.

Trotzdem fühle er sich nach wie vor seinem Bruder verbunden. Auf die Frage, ob er seinen Bruder noch liebe, antwortet Paul in dem Interview mit: „Natürlich. Ich bin politisch mit ihm völlig uneins. Aber er ist mein Bruder. Ich glaube, dass er unglücklich ist. Das macht mich auch unglücklich.“

Sein Bruder sei sozial isoliert, da er seit 12 Jahren an geheimen Wohnorten lebt und von den normalen Menschen völlig entfremdet ist. Der ständige Personenschutz mache ihn zudem „noch paranoider“. Während sich Rutte und Wilders um die Pole Position in der Wählergunst streiten, könnte es einen lachenden Dritten geben: Jesse Klaver. Der Umweltschützer und Parteichef von GroenLinks könnte zum Königsmacher avancieren.

Sollte es Klaver, der schon als „niederländischer Trudeau“ tituliert wird, schaffen, zur drittstärksten Kraft zu werden, ist eine Zusammenarbeit der linksgerichteten Parteien unter Ausschluss von Rutte und Wilders durchaus denkbar. Das Ziel sei es, den „rechtsgerichteten Wind aufzuhalten, der durch ganz Europa bläst“, sagte Klaver im vergangenen Jahr. 

von

Günter Schwarz – 28.02.2017