(Kiel) – Um die 25 vom türkischen Präsidenten Erdoğan entsandten Konsulatslehrer an schleswig-holsteinischen Schulen gibt es Zoff im Kieler Landtag. Es handelt sich bei diesen Lehrern, die an den Schulen Türkisch-Unterricht erteilen, um linientreue türkische Beamte, die ohne jegliche Kontrolle der Schulaufsicht in Kiel unterrichten.

Der Schulträger stellt lediglich die Räume dafür zur Verfügung, und das Land übernimmt die Haftpflichtversicherung für die Kinder. Die Opposition im Kieler Landtag reagiert empört. Auch die Lehrer-Gewerkschaft GEW meldet massive Bedenken an.

Seit knapp 40 Jahren gibt es Türkisch-Unterricht an etlichen Schulen in Schleswig-Holstein. Über den Leerinhalt bestimmen die türkischen Konsulate. Seitdem sich das Verhältnis zur Erdoğan-Regierung zunehmend verschlechtert und sich Meldungen häufen, dass nur linientreue Mitarbeiter im Staatsdienst geduldet werden, wächst auch hierzulande die Sorge vor einer nationalistischen Indoktrinierung der Kinder durch die Konsulatslehrer. Vor allem in den betroffenen Kommunen gibt es kritische Stimmen.

Das Ansinnen ist erst einmal honorig. Schulkinder mit Migrationshintergrund, nicht selten in Deutschland groß geworden, sollen ihre Muttersprache beherrschen. Studien zeigen, dass sie danach auch in der deutschen Sprache bessere Ergebnisse erzielen. Vor dem Hintergrund der politischen Entwicklung in der Türkei aber ist der Einsatz von Konsulatslehrern bundesweit in die Diskussion geraten.

Die Kieler Bildungsministerin Britta Ernst (SPD) verweist darauf, dass ihr die Hände gebunden seien. Nach einer EU-Richtlinie aus dem Jahr 1977 und diversen Beschlüssen der Kultusministerkonferenz (KMK) solle „muttersprachlicher Ergänzungsunterricht“ in alleiniger Verantwortung der diplomatischen Vertretungen erteilt werden.

Insgesamt unterrichteten derzeit 32 Konsulatslehrer in Schleswig-Holstein 220 Stunden pro Woche. Darunter sind auch Entsandte aus Portugal und Spanien (je 2) sowie Tunesien, Kroatien und Italien (je 1). Unterrichtsstunden im Auftrag des türkischen Generalkonsulats werden in Schleswig-Holstein unter anderem in Lübeck (an zehn Schulen und der VHS), Bad Oldesloe (3), Mölln (2) und Schwarzenbek (1) erteilt.

„Bildungsministerin Ernst nutzt den Verweis auf eine 40 Jahre alte EU-Verordnung, um sich aus der Verantwortung zu stehlen“, kritisiert Heike Franzen (CDU). Die Vorschrift sei ursprünglich für die schulische Betreuung von Wanderarbeitern gemacht worden. „Jetzt geht es um die Frage, wie wir Kinder in unsere Gesellschaft integrieren.“

Dass der herkunftssprachliche Unterricht durch türkische Konsulatslehrer an den Schulen „außerunterrichtlich“ stattfindet, entbinde die Ministerin nicht davon, im Blick zu haben, was dort genau geschehe, fordert Anita Klahn (FDP). „Vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen in der Türkei erwarte ich, dass die Landesregierung ein Bewusstsein für die Problematik entwickelt.“ Der Bildungsausschuss des Landtags solle sich damit beschäftigen. Auch für die Lehrer-Gewerkschaft GEW ist Konsulatsunterricht „höchst problematisch“. Er dürfe nur unter strengster staatlicher Kontrolle stattfinden, fordert GEW-Landesgeschäftsführer Bernd Schauer.

In der Türkei würden Menschenrechte mit Füßen getreten. „Wir müssen deshalb wissen, was in diesen Stunden passiert.“ Lehrpläne, die der GEW in Nordrhein-Westfalen zugespielt wurden, deuten darauf hin, dass es nicht allein darum geht, die Muttersprache zu erlernen, sondern auch darum, eine türkische und muslimische Identität zu entwickeln. Das türkische Konsulat soll zudem dazu aufgerufen haben, türkeikritische Lehrer auszuhorchen. Die türkische Seite dementiert. In Berlin bekamen türkische Schüler einen Film über den Dardanellenkrieg gezeigt, der die Türkei glorifiziert. Die Eltern protestierten dagegen.

Der Kieler Bildungsstaatssekretär Dirk Loßack erklärt, Schulleitungen hätten durchaus das Recht, in den Unterricht zu kommen. „Wir haben aber aktuell keinerlei Hinweise darauf, dass dort verfassungsfeindlich-religiöse Inhalte vermittelt werden.“ Generalverdächtigungen gegen die Konsulatslehrkräfte gebe es nicht.

Bis endlich an der Kieler Uni ausgebildete Türkischlehrer zur Verfügung stehen, schlägt die Grüne Anke Erdmann den Schulleitern Folgendes vor: Sie sollten Einsicht in die Lehrmaterialien nehmen und den Konsulatslehrern spontane Unterrichtsbesuche abstatten – „am besten mit türkisch-sprachiger Unterstützung“.

von

Günter Schwarz – 04.03.2017