(London) – Theresa May versprach eine „starke und stabile“ Führung in Zeiten von Brexit und Terror – aber bei den britischen Wählern zog das nicht. Nun stehen die Konservativen ohne Regierungsmehrheit da, Mays Zukunft ist ungewiss.

Die Konservative Partei der „Tories“ verliert ihre absolute Mehrheit im britischen Parlament. Das ist eine bittere Schlappe für Premierministerin Theresa May. Sie hatte diese Wahlen angesetzt, um eine noch größere Mehrheit zu bekommen hinsichtlich der Brexit-Verhandlungen mit der Europäischen Union. Dieser Plan ist gründlich schiefgegangen und wurde zum Schuss nach hinten für May.

Die konservative Partei von Premierministerin Theresa May hat nach Angaben der BBC die absolute Mehrheit im britischen Unterhaus verloren. Die „Tories“ hatten am Freitagmorgen nach Auszählung fast aller 650 Wahlkreise dem Sender zufolge keine Chance mehr, die entscheidende Marke von 326 Sitzen zu knacken – derzeit wird sie voraussichtlich nur 312 Sitze erringen. Damit steht Großbritannien kurz vor Beginn der Brexit-Verhandlungen eine komplizierte Regierungsbildung bevor – entweder gibt es eine Minderheitsregierung, eine Koalition oder gar eine weitere Neuwahl.

Auf jeden Fall braucht die Konservative Partei einen Koalitionspartner, um überhaupt regieren zu können. Sollte es dazu kommen, so ist der wahrscheinlichste Partner ist die nordirische „Democratic Unionist Party“. Doch erstens haben die Briten keine Erfahrung mit Koalitionsregierungen und zweitens wollen die Nordiren keinen harten Brexit schon wegen ihrer Landgrenze zur Republik Irland und den sich daraus ergebenden Problemen, und sie werden Forderungen stellen. Die Liberaldemokraten, die von 2010 bis 2015 mit dem konservativen Premier David Cameron regiert hatten, schlossen schon in der Nacht eine Koalition und einen „Deal“ aus. Theresa May kommt also nicht wie von ihr vorgesehen gestärkt, sondern stark geschwächt aus diesen Wahlen.

Dazu kommt: Die Koalitionsverhandlungen werden Zeit kosten. Je nachdem, wie lange sich Koalitionsgespräche hinziehen, könnte dies den Beginn der Brexit-Verhandlungen nach hinten schieben. Bisherigen Plänen zufolge sollten diese am 19. Juni beginnen. Britische Brexit-Hardliner fürchten jetzt, dass es nicht zu einem „harten Brexit“ kommt. „Der Brexit ist gefährdet“ kommentierte die EU-kritische Daily Mail. Und der stramm konservative „Daily Telegraph“ schreibt gar: „Großbritannien wählt das Chaos“.

Ihr Herausforderer Jeremy Corbyn, dessen Labour-Partei stark zulegen konnte, forderte die Regierungschefin noch in der Nacht zum Rücktritt auf. Sie habe Stimmen, Sitze und Vertrauen verloren, sagte er. Das sei genug, um „zu gehen und Platz zu machen für eine Regierung, die wirklich alle Menschen dieses Landes repräsentiert.“

Momentan sitz Theresa May mit der Pateiführung der Konservativen zusammen und berät, wie die Partei mit der Wahlschlappe umgehen soll und kann. Mit Rücktrittsforderungen aus ihrer eigenen Partei ist auf jeden Fall zu rechnen. May hat angekündigt, heute um 10 Uhr britischer Sommerzeit – also um 11 Uhr MESZ – vor die Presse treten zu wollen, um bekanntzugeben, wie es in Großbritannien und mit der Regierung weitergehen soll.

von

Günter Schwarz – 09.06.2017