Als die Mauer am 9. November 1989 fiel, war der britische Spionageschriftsteller John le Carré, mit bürgerlichem Namen David Cornwell, 58 Jahre alt. Damals mutmaßten viele, dass ihm jetzt der Stoff für seine Agententhriller ausgehen würde, aber weit gefehlt. Seither hat er viele weitere unglaublich spannende Geschichten über gefährliche Agententätigkeiten in aller Welt geschrieben.

Ein Gentleman, der mit seiner unverwüstlichen Attraktivität viele Herzen höher schlagen lässt. Sein neuester Roman heißt „Das Vermächtnis der Spione“. Der 85 Jahre alte britische Autor und Ex-Spion knüpft mit seinem neuen Buch an seinen Weltbestseller „Der Spion, der aus der Kälte kam“ von 1963 an: überraschend, klug und sensationell gut!

„Folgendes ist eine nach bestem Wissen und Gewissen verfasste, wahrheitsgetreue Darstellung meiner Rolle in der britischen Operation mit dem Codenamen WINDFALL, die Ende der fünfziger, Anfang der sechziger Jahre gegen das ostdeutsche Ministerium für Staatssicherheit (STASI) geführt wurde und mit dem Tod des besten britischen Geheimagenten und der unschuldigen Frau endete, für die er sein Leben ließ…“ So beginnt „Das Vermächtnis der Spione“. – Ring, Ring: Klingelt da nicht was? Operation Windfall, STASI, Tod des besten britischen Agenten? Na klar. John le Carré knüpft in seinem neuen Buch an die Ereignisse aus seinem Weltbestseller „Der Spion, der aus der Kälte kam“ an. Es ist die direkte Fortsetzung davon, fünfzig Jahre später geschrieben.

Ich-Erzähler ist der ehemalige Geheimagent Peter Guillam. Er hat den Geheimdienst satt. Ist pensioniert und lebt zurückgezogen auf einem Bauernhof in der Bretagne. Bis zu dem Tag, als der Secret Service ihn wieder nach London beordert, weil die Nachfahren der an der Berliner Mauer zu Tode Gekommenen gegen den MI 6 und Peter Guillam klagen wollen. Offenbar hat der Sohn von Alec Leamas eine Anklage gegen den britischen Geheimdienst erhoben, weil dieser damals seinen Vater umgebracht haben soll.

Es stellt sich heraus, dass das alte Safe House von George Smiley und seinen Getreuen noch unverändert weiterexistiert, verwaltet von immer derselben Haushälterin Millie McCraig. Es entbehrt nicht der Komik, dass sie alle relevanten Akten auf Mikrofilmen in ihrem Damenfahrrad versteckt hat, das die nassforsche junge MI6-Investigatorin namens Laura gleich aus dem Hausflur in den Geräteschuppen verbannt.

Die Geschichte spielt etwa ein halbes Jahrhundert nach den zur Debatte stehenden Ereignissen. Wie inzwischen jeder weiß, arbeitete John le Carré damals, als sein Roman „Der Spion, der aus der Kälte kam“ erschien, selbst beim Britischen Geheimdienst, unter anderem in Bonn. Man kann es ihm nicht verdenken, dass er sich jetzt gern noch einmal an diese bewegten Zeiten zurückerinnert.

Um das Buch „Das Vermächtnis der Spione“ zu lesen, muss man den ersten Teil „Der Spion, der aus der Kälte kam“ von 1963 nicht zwingend gelesen haben. Aber es macht einfach mehr Spaß, weil die Geschichte durch dieses Vorwissen mehr Tiefe erhält.

Roman „Das Vermächtnis der Spione“ von John le Carré – ISBN: 3550050127 – Hugendubel – 24,00 Euro

von

Günter Schwarz – 17.10.2017