(Sønderborg) – Der Tag der Entscheidung ist gekommen – es ist der 21. November 2017, und die Wahllokale sind geöffnet, denn heute ist Kommunal- und Regionswahl in Dänemark – doch das heißt nicht, dass der Wahlkampf schon beendet ist. Jeder zehnte Wähler entscheidet sich laut Untersuchung nämlich erst am Wahltag, wo er sein Kreuz setzt.

In 98 Kommunen und 5 Regionen stimmen die Wahlberechtigten aus zirka 5,75 Millionen Einwohnern darüber ab, wer künftig in den Stadt-, Gemeinde- und Regionsräten sitzt. Unter den wahlberechtigten dänischen Bürgern befinden sich auch rund 200.000 in Dänemark lebende EU-Bürger und Bürger der nordischen Staaten.

Im Großraum von Sønderborg wählen rund 76.000 Bürger ihre Kommunalvertretung. Die bestimmt dann den Bürgermeister. Für diesen Posten kandidiert dort auch der Kieler Stephan Kleinschmidt. Seine Partei, die Schleswigsche Partei, vertritt die deutsche Minderheit in Dänemark.

Er, wie auch der Spitzenkandidat der Schleswigschen Partei für die Regionswahl, Gösta Toft, ist noch immer voll im Wahlkampfmodus. Toft versuchte noch am Dienstagmorgen auf dem Markt in Haderslev noch die letzten Wähler von sich zu überzeugen. „Hier ist richtig was los und die Stimmung ist super. Einige haben natürlich schon gewählt, aber viele müssen noch – und die kann ich vielleicht für mich gewinnen“, so Toft.

Der Kommunalvertretung von Sønderborg gehört der Deutsch-Däne Stephan Kleinschmidt bereits zwölf Jahre an. In dieser Zeit hat er unter anderem für die Kandidatur der kleinen dänischen Stadt zur Europäischen Kulturhauptstadt und für eine grenzüberschreitende Gartenschau gekämpft. Nun soll es auch mit dem Bürgemeisterposten klappen. 16 Mandate muss Kleinschmidt auf sich vereinen – er selbst glaubt daran. Hauptberuflich arbeitet Kleinschmidt in der Kieler Staatskanzlei. Er versteht sich als Brückenbauer – nicht nur über die Grenze hinweg, sondern auch zwischen den politischen Lagern.

Einer, der Kleinschmidt unterstützt, ist Jørgen Mads Clausen, der Aufsichtsratsvorsitzende der dänischen Firma Danfoss. Mäzen in der Region Sønderborg, bekannt im ganzen Land. Die Sympathie eines solch prominenten Unternehmers für einen Deutschen hat für Schlagzeilen und für Kritik gesorgt. Auf Facebook tauchten antideutsche Kommentare auf sowie auch eine anonyme Anzeige in einer süddänischen Regionalzeitung hetzte gegen die Partei Kleinschmidts, indem sie die Schleswigsche Partei mit dem Nationalsozialismus in Verbindung brachte.

Für den dänischen Politikjournalisten Poul Erik Thomsen ist das ungerecht. „Ich pflege immer von der ‚Generation der weißen Hemden‘ zu sprechen, wenn es um die Vertreter der Schleswigschen Partei geht“, sagt Thomsen. „Diese Generation ist nach der Besatzungszeit geboren und darf nicht für das zur Verantwortung gezogen werden, was vor 1945 passiert ist.“ Von der Person Kleinschmidt ist der Journalist überzeugt: „Er ist jung, er ist charmant, er hat – das finden viele – gute Arbeit geleistet. Dazu hat er einen guten, emotionalen Wahlkampf geführt“, meint er.

Dass die Strategie des SP-Kandidaten genau die richtige ist, belegen auch Forschungen von Danmarks Medie- og Journalisthøjskole. Demnach entscheidet sich jeder zehnte Wähler nämlich erst am Wahltag, wo er sein Kreuz setzt.

„Daher wäre es dumm von den Kandidaten am Wahltag mit dem Wahlkampf aufzuhören. Das wäre, als wenn man einen Marathon laufen und einen Kilometer vor dem Ziel stoppen würde“, sagt Forschungschef, Roger Buch. Seine Forschungen zeigen sogar, dass der Einsatz kurz vor der Ziellinie durchaus Wirkung hat. „Wir wissen, dass die Kandidaten und Parteien belohnt werden, die bis zum Schluss durchhalten.“

Die zehn Prozent der Wähler, die sich erst am Wahltag entscheiden sind laut Buch diejenigen, die den Wahlkampf wenig verfolgt haben oder unentschlossen sind, ob sie überhaupt wählen gehen sollen. Und von denen wollen auch SP-Mann Gösta Toft in Haderslev und Stephan Kleinschmidt in Sønderborg auf den letzten Metern noch einige überzeugen, ihr Kreuz setzen zu gehen – am besten natürlich bei der Schleswigschen Partei.

von

Günter Schwarz – 21.11.2017