Am Montagabend startete der dänische Fernsehsender DR1 mit der Fortsetzung der dänisch-schwedischen Erfolgsserie Broen (Die Brücke) in der 4. Staffel. Gleich zu Beginn der ersten Episode das, wofür man skandinavische Krimis so liebt: ein brutaler Mord.

Nun wird da nicht einfach jemand erschossen, erstochen oder von einem Dach gefallen. Eine Frau wird bis zum Oberkörper eingegraben und zu Tode gesteinigt. Ein grausamer Mord, den man sich kaum vorstellen mag. Nun, wenn man sich solche Dinge nicht vorstellen möchte: Warum gehören sie dann in das abendliche TV-Unterhaltungsprogramm oder unsere Bücherregale? Auch skandinavische Krimis und Thriller geizen nicht mit unsäglichen Gewaltdarstellungen. Dafür sind die Romane skandinavischer Schriftsteller nicht selten auf den Bestseller-Listen.

Illustrerweise entspringt diese „geistige Gewaltorgie“ einem Land, in dem schon die bloße Androhung einer Gewalttat im Gefängnis enden kann. Eine Gesellschaft also, die Gewalt augenscheinlich nachdrücklich ablehnt. Wer in Dänemark jemanden um „Leib und Leben“ bedroht, wird bis zu drei Wochen im Gefängnis landen. Auch dann, wenn es lediglich bei der Androhung dieser Straftat geblieben ist. Ein vorbildlicher Umgang mit Gewalt! Dafür aber konnte sich das dänische TV-Publikum dann am Montagabend ansehen, wie man eine Frau zu Tode steinigt.

Auch in Deutschland schwappt die große Woge kollektiver Bestürzung durch das Land, wenn es irgendwo zu abscheulichen Gewalttaten gekommen ist. Oftmals mischt sich ein Gefühl der Unverständnis ein, wie Menschen in der Lage sein können, solche Gewalttaten überhaupt zu begehen. Dass Menschen zu jeder Schweinerei fähig sind, demonstrieren nicht nur skandinavische Krimis oder die allwochenendliche Gewaltpropaganda im Nachtprogramm unserer Privatsender, sondern auch eine oberflächliche Recherche zum Thema im Internet.

Dabei geht es dann nicht einmal nur um Greueltaten des IS, sondern auch um Lynchmorde, die in Süd- und Mittelamerika durchaus jede Woche stattfinden und bei denen unter dem Beifallgejohle hunderter Barbaren irgendein Mensch stundenlang mißhandelt und am Ende lebendig verbrannt oder aufgehängt wird. Statt zu Helfen werden dann Handy-Videos gemacht, die dann im Internet landen und von einem breiten Publikum bestaunt und mehr oder weniger menschenverachtend kommentiert werden.

Das gibt es hier (noch) nicht. Hier werden Frauen eine Treppe runtergetreten oder Kinder spielen mit einem hilflosen Katzenbaby Fußball. Wieder andere verprügeln einen Mitschüler und drohen ihn dann vom Dach zu werfen. Heiko Maas verurteilte in der vergangenen Woche Angriffe auf Einsatzkräfte wie Polizei, Feuerwehr und Rettungssanitäter. Warum müssen solche Übergriffe betont werden – bzw. was ist alles falsch gelaufen, wenn da Rettungssanitäter angegriffen werden, wenn sie einen anderen Menschen medizinisch versorgen müssen?!

Gewalt ist allgegenwärtig und Menschen sind zu unsagbarer Gewalt fähig. Auch hier bei uns. Sicher wäre es ein Schritt in die richtige Richtung, dem Beispiel Dänemarks zu folgen und bereits das Androhen einer Gewalttat zu ahnden. Wenn wir aber vorgeben eine Gesellschaft zu sein, die null Toleranz gegenüber Gewalt leben möchte, wäre es vielleicht an der Zeit, den Programm-Machern in den privaten Fernsehanstalten zu verstehen zu geben, dass wir diesen gewaltverherrlichenden Dreck nicht mehr sehen wollen. Es wäre an der Zeit den coolen muskelbepackten „Gangsta-Rappern“ mitzuteilen, dass sie ihre dumme Schnauze halten sollen, anstelle ihre „Kunst“ mit Aufrufen zur Gewalt zum Besten zu geben.

Null Toleranz gegenüber Gewalt? – Ja bitte! – Dann allerdings auch konsequent. Oder glaubt irgendjemand, dass dumme Gören, die zum Spaß kleine Katzen tot bolzen und dabei Aggro-Rap hören, irgendwann zu einfühlsamen und anständigen Menschen heranwachsen?

Michael Schwarz, 3.01.2018