(Neckarsulm) – Als „besorgter Bürger“ hat man es nicht leicht: Der Osterhase wird zum „Traditionshasen“, der Weihnachtsmann zum „Zipfelmännchen“, und nun gibt es auch noch einen Ramadan-Kalender. Der Ramadan-Kalender ist neu im Sortiment der Supermarktkette Kaufland und sorgt für Diskussionen vor allem in den sozialen Medien – dabei ist das Angebot nicht neu.

Die Supermarktkette Kaufland hat dieses Produkt im April ins Sortiment einiger Filialen gehoben, wie die „Stuttgarter Nachrichten” berichten. Ähnlich wie bei einem Adventskalender gibt es Türchen, insgesamt 30, einen für jeden Tag des muslimischen Fastenmonats. Noch etwas mehr als einen Monat ist es hin, bis der Ramadan 2018 am 16. Mai beginnt.

Gläubige Muslime fasten dann einen Monat lang und essen nur vor Sonnenaufgang und nach Sonnenuntergang. Für Kranke, Schwangere, körperlich schwer Arbeitende und Kinder sind die Fastenregeln allerdings nicht ganz so strikt. Um die Kleinen spielerisch an das muslimische Ritual heranzuführen, gibt es auch in Deutschland einen, dem Adventskalender ähnlichen Ramadan-Kalender für Kinder.

Es handelt sich um ein Angebot der Firma „gama-zuckersuess“, das nach deren eigenen Angaben bereits seit 2015 produziert wird. Neu ist, dass der Ramadan-Kalender in das Sortiment von Kaufland aufgenommen wurde: „Der Ramadan-Kalender ist seit Anfang April erstmals in einigen Kaufland-Filialen im Sortiment“, sagt Anna Münzing aus der Unternehmenskommunikation von Kaufland.

Natürlich sorgt das bei der AfD für Empörung und geht Anhängern aus dieser Islam-kritischen Partei ganz gehörig gegen den Strich, die sich mit dem entsprechenden Facebook-Posting gehörig blamieren. Unter anderem spielte der AfD-Bundestagsabgeordnete Frank Pasemann bei Twitter auf die von vielen in der Partei befürchtete Islamisierung Deutschlands an und sieht durch den Ramadan-Kalender von Kaufland den Untergang des Abendlandes näher rücken. Er befürchtet, dass deutsche Bräuche langsam aber sicher verschwinden. In einem Tweet spielt er auch auf die zu Ostern entfachte Diskussion um den „Traditionshasen“ an (SH-UgeAvisen berichtete).

Auch der AfD-Politiker Dr. Malte Kaufmann aus dem Kreisverband Heidleberg sieht etwas anderes in dem bunten Pappkalender, auf dem neben einer stilisierten Moschee, einem lächelnden Mond, spielenden Kindern auch ein rosa-weißes Einhorn zu sehen ist. Für ihn ist damit der Untergang des Abendlandes ein Stück näher gerückt: „Eine #Islamisierung findet nicht statt. Oder doch??? #Ramadan #Ramadankalender #Kaufland“, postet er auf Facebook nebst Foto. Doch die in typischer AfD-Manier kaklulierte Provokation nebst Klientel-Bespaßung geht nach hinten los.

Diesen Beitrag haben jedoch viele Menschen gesehen, die ganz andere Ansichten als die AfD haben. Nun wurde der AfD-Politiker mit der Frage konfrontiert, ob er nichts Besseres zu tun habe, als über Schokolade zu philosophieren. „Um Himmels Willen – haben wir jetzt wirklich eine Partei, die sich im Bundestag ihre Hintern platt sitzt und unsere Steuergelder rauswirft, um sich nur noch mit Schokoladenprodukten zu beschäftigen?“, zitiert die HuffPost aus den Kommentaren. Einige fragten zudem, ob es selbst der AfD zu peinlich wäre, mit solchen Themen sich auseinanderzusetzen.

Aber mal im Ernst, ist das jetzt nicht selbst der AfD zu peinlich? Natürlich führt Kaufland wie die meisten Supermärkte internationale Lebensmittel. Es fragt sich, ob jetzt jeder aufschreit, wenn er eine Dönerbude sieht, ein griechisches Lokal oder gar einen Asia-Imbiss? Nicht zu vergessen McDonalds, Burgerking und Co? Hier leben Muslime, und sie sind Kunden wie Christen, Juden, Atheisten und Anhänger anderer Religionen. Auch AfD-Bundestagsabgeordnete sollten sich über die zusätzliche Mehrwertsteuer freuen, über die u. a. auch ihre „Diäten“ als Abgeordnete bezahlt werden-

Und wie eingangs bereits gesagt, ist das Angebot nicht ganz neu, denn bevor ihn „gama-zuckersuess“ herstellte, wurde ein ähnlicher Kalender von „Kandil“ produziert und verkauft, berichtet Mimikama, eine Initiative zur Aufklärung von Internetmissbrauch. Hinter den 30 Türchen verstecken sich verschiedene, Halal-zertifizierte Süßigkeiten. Außerdem bergen sie Lernfragen, die spielerisch an die Religion heranführen sollen. Denn „nicht nur der Advent […], auch die 30 Tage des islamischen Fastenmonats Ramadan sind eine Zeit der Gemeinsamkeit, Besinnung und der Freude“ heißt es auf der Seite von „Kandil“.

Und das Angebot wird offenbar angenommen: „Wir sind mit der Nachfrage zufrieden“, sagt Münzing auf Anfrage unserer Zeitung. Außerdem spiele sich die Diskussion weitgehend in den sozialen Netzwerken ab, so die Pressesprecherin. Beschwerden aus den Filialen seien ihr keine bekannt.

„Wir richten uns mit unserer Sortimentgestaltung nach den Kundenwünschen, um ein breites, aktuelles und kompetentes Angebot zur Verfügung zu stellen“, sagt Münzig und verweist auf das internationale Sortiment von Kaufland. Im Supermarkt gäbe es schließlich auch typisch asiatische, russische, spanische, italienische, griechische und andere Produkte zu kaufen.

von

Günter Schwarz – 14.04.2018