(Moskau) – Die Geschichte wiederholt sich doch. Zumindest für Pawel Durow. Zum zweiten Mal versuchen die russischen Behörden, ihn zu stoppen. Der Internet-Milliardär lässt sich aber davon nicht unterkriegen. Im Gegenteil. Mit einer Fotomontage von Braveheart meldete sich der 33-Jährige auf der Fotoplattform „Instagram“. Ein im Blauton seiner Nachrichtenapp „Telegram „geschminkter Mel Gibson ruft den Feinden zu: „Sie können unsere IP-Adressen nehmen, aber niemals unsere Freiheit.“

Die russische Regierung verdächtigt nun Google, das Verbot für die russische Chat-App „Telegram“ zu umgehen – und sperrt mehr als 18 Millionen IP-Adressen. Die russische Kommunikationsaufsicht (RKN) hat nach eigenen Angaben mehrere Internetadressen von „Google“ in ein Verzeichnis verbotener Internetseiten aufgenommen. Millionen Internetseiten konnten nicht mehr aufgerufen werden. Auch viele Unternehmen sind von dieser Blockierung betroffen.

Die gesperrten Adressen seien von der Chat-App „Telegram“ verwendet worden, teilte die Behörde „Roskomnadsor“ zur Begründung mit. Russland hatte „Telegram“ verboten, seinen Mitteilungsdienst in dem Land anzubieten. Der Grund: Pawel Durow, der Gründer der App, weigert sich, Geheimdiensten die Entschlüsselung verschlüsselter Nachrichten zu ermöglichen. Nun wird „Amazon“ und „Google“ vorgeworfen, dass die gesperrte App Telegram über ihre Dienste wieder zugänglich ist.

Nach Angaben des Online Magazins „Techcrunch“ hat Google bestätigt, dass die Suche, das Mailprogramm und die Push-Benachrichtungen für Android-Geräte nur zum Teil funktionieren. Derzeit seien in Russland mehr als 18 Millionen IP-Adressen gesperrt.

„Es ist peinlich, wie schlecht die RKN darin ist, „Telegram“ zu blockieren. Die meisten Nutzer können das Programm weiterhin ohne Probleme verwenden”, sagt allerdings Ilya Andreev, COO and Gründer von „Vee Security“, in dem Medienbericht. Seine Firma bietet einen Proxyservice gegen die Regierungssperre an. Derzeit würde über seinen Service zwei Millionen Nutzern der Zugang zu „Telegram“ ermöglicht.

Für die einen ist Pawel Durow ein Held, und sie sehen in ihm einen Kämpfer für die Freiheit und die Privatsphäre im Internet. Andere wiederum halten ihn für einen Selbstdarsteller und Egomanen, dem es nur um die eigenen Interessen geht. Die Meinungen gehen auch in Durows Heimat Russland auseinander. Dennoch schaut Russlands Internetcommunity seit Tagen fasziniert auf das Katz-und-Maus-Spiel, dass sich der 33-jährige Gründer des Messengers „Telegram“ mit dem russischen Staat und der Medienaufsichtsbehörde Roskomnadsor liefert.

Die meisten hätten inzwischen eine App Namens „Zello“ installiert, die sofort eine neue IP-Adresse ansteuert, sobald die gerade genutzte gesperrt würde. Doch eine dauerhafte Beeinträchtigung von „Google“ sei laut Andreev auch in Russland nicht wahrscheinlich.

Doch so sehr die russische Netzcommunity spottet, es geht um mehr als um die Fehde eines Internetunternehmers mit einer verknöcherten Behörde, die ihre Kapazitäten überschätzt hat. Denn seit Jahren schon schränken in Russland immer neue Gesetze die Informationsfreiheit im Internet ein. So hat Roskomnadsor seit 2013 das Recht, Websites, die mutmaßlich „extremistische Informationen“ verbreiten, zu sperren. Medien können so nach zwei Verwarnungen bereits die Lizenz verlieren. Seitdem wurden immer wieder vor allem kleinere, oppositionelle Nachrichtenportale wie „grani.ru“ gesperrt.

„Die Regierung kann nicht einfach wahllos Internetseiten sperren”, sagte Andreev. Schließlich stehe im Sommer die Fußball-Weltmeisterschaft an. „Wir können nicht zig-tausende Touristen ins Land lassen, die dann feststellen, dass Google hier nicht funktioniert.“

von

Günter Schwarz – 23.04.2018