(Struer) – Ein Wolf, der in der Nähe einer örtlichen Schule und des Kindergartens beobachtet wurde, schien bei dem Zusammentreffen mit Menschen in der Stadt Struer in Jylland (Jütland) am Südufer des Limfjordes seine Sheu vor den Menschen verloren zu haben.

Am Mittwochmorgen waren die Mitarbeiter und etwa 20 Kinder der Resen Friskole & Naturbørnehave (Resen Freischule und Naturkindergarten) auf dem Weg zu einem kleinen See in der Nähe der Einrichtung, als sie plötzlich auf einen Wolf stießen. „Der Wolf hielt sich in einer Entfernung von zwischen 30 und 50 Meter zu den Kindern auf, und die Erwachsenen fanden es merkwürdig, dass der Wolf nur dort saß und sie beobachtete. Er schien nicht sonderlich verängstigt zu sein, woraufhin sie ihren Ausflug abbrachen“, berichtete Henrik Borg von der Resen Friskole & Naturbørnehave.

Zu TV 2 sagte Henrik Borg, dass die Erwachsenen überzeugt sind, dass es ein Wolf war, aber dass die Kinder ihn nicht gesehen haben. Deshalb haben die Kindergärtnerinnen und Lehrer in der Schule nicht mit den Kindern darüber gesprochen, aber sie werden es in dieser Woche tun, nachdem der Vorfall in den Medien verbreitet wurde. Die Schule hat bisher keine Vorkehrungen dafür getroffen, wie sich ihre Lehrkräfte verhalten sollten, wenn sie einem Wolf begegnen. Es war das erste Mal, dass ein Wolf in der Kommune Struer beobachtet wurde.

In den umliegenden Kommunen Holstebro, Lemvig und Herning wurden Wölfe jedoch schon mehrfach beobachtet, die auch schon mehrere Schafherden angegriffen haben und einige Schafe von Wölfen getötet wurden.

Der Vorfall während des Kindergartenausflugs spielte sich ungefähr zur selben Zeit ab, als ein Wolf im niedersächsischen Walsrode südlich von Hamburg gefilmt wurde. Die Stadt liegt in einem Gebiet, in dem bereits mehrere Wölfe in der Nähe von Menschen gesehen wurden, was bei Eltern und Erziehern in der Stadt Besorgnis ausgelöst hat und den Bürgermeister der Gemeinde Bomlitz nordöstlich von Walsrode veranlasst hat, Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Er hat den Kindergartenpädagogen der Gemeinde Unterricht im Verhalten zu Wölfen erteilen lassen und sie mit Pfefferspray ausgestattet, damit sich die Kinder in den Wäldern rund um den Ort bewegen können.

In der Stadt Struer hat man noch nicht darüber nachgedacht, ob man sich über irgendwelche „Wolfsmaßnahmen“ Gedanken machen sollte, aber derzeit wird in der Stadt überall teils recht konträr über den Vorfall mit den Kindergartenkindern diskutiert.

„Wir müssen uns nun fragen: ,Was machen wir und wie groß ist das Problem?´ Denn es ist klar, dass es Verunsicherung schafft“, sagt Bürgermeister Niels Viggo Lynghøj (Socialdemokraterne). Der Bürgermeister weist darüber hinaus darauf hin, dass es etwas problematisch sei, da es keine Bilder zu dem Zwischenfall gibt.

„Es mag ein Wolf gewesen sein, aber man sollte auch aufpassen, nicht einen Wolf mit einem Hund zu verwechseln. Aber war es tatsächlich ein Wolf, so kann ich verstehen, dass es Bedenken gibt. Besonders wenn man mit Kindern unterwegs bist.“ Niels Viggo Lynghøj ist auch nicht ganz sicher in der Art, wie die Wölfe von den Behörden im Land gesehen werden: „Ich denke, ich versuche beides zu sagen – und das immer. Manche behaupten, dass schon einmal welche hier waren und andere, dass wir nichts zu befürchten haben. Aber tatsächlich gibt es eine Schlussfolgerung, die da lautet, was will man wirklich in einer Situation wie dieser machen?“

Laut Peter Sunde, Wissenschaftler am Institut for Bioscience (Institut für Biowissenschaften) der Universität Aarhus, kann man den Wolf leicht verjagen. Der Forscher sagt: „Als erstes sollte man das Smartphone aus der Tasche ziehen und filmen, was man sieht. Ein Videoclip kann wichtige Informationen für die Behörden enthalten, die das Verhalten der Wölfe im Auge behalten.“

Gleichzeitig erklärt Peter Sunde, dass sehr viele verdächtige Wolfsbeobachtungen gibt, die sich im Nachhinein ohnehin nicht als Wolfsbeobachtungen herausstellen. Unsere Sinne und unsere Wahrnehmung können uns betrügen. Peter Sunde kennt Fälle, in denen selbst erfahrene Jäger Wölfe mit Hunden verwechselt haben.

Durch das Filmen des Wolfs erhalten Forscher, die das Verhalten des Wolfes beobachten, wichtige Hinweise, anhand derer sie beurteilen können, ob ein ungewöhnliches und sogar gefährliches Verhalten vorliegt. Peter Sunde erklärt, dass das Wissen, dass ein Wolf seine natürliche Scheu vor Menscbhen verloren hat, dazu führt, dass der Wolf erschossen wird.

Er hebt ein Beispiel aus dem Jahr 2005 hervor, in dem ein Rudel von Wölfen in Nordamerika ihre Scheu vor Menschen abgelegt hatte und infolgedessen ein Mann sein Leben verlor. Wären die Behörden sich der veränderten Verhaltensmuster des Rudels bewusst gewesen, hätte dieses vermieden werden können.

Wenn man der Meinung ist, dass sich ein Wolf einem selbst oder einem Kind zu sehr nähert, kann man ihn genauso verjagen, wie man es mit einen Hund macht. „Schreien sie ihn an, wedeln sie mit den Armen, und machen sie Lärm, und dann entfernen sie sich.“

Peter Sunde betont, dass Wolfsattacken extrem selten sind. Einer der Gründe dafür ist, dass die Menschen seit Jahrhunderten Wölfe verfolgt und diese getötet haben, die den Menschen nahe gekommen sind. Daher gab es unter ihnen eine natürliche Selektion, bei der nur die scheuesten Wölfe in der Lage waren, lebensfähige Nachkommen zu zeugen. Gleichzeitig kann es eine natürliche Komponente geben, bei der die Wölfe gelernt haben, ihre Nachkommen vor Menschen zu schützen.

Laut der Universität København wurde 2002 vom norwegischen Institut für Naturforschung eine große Studie zur Gefährdung durch den Wolf durchgeführt. Die Studie zeigte unter anderem, dass es nur Hinweise auf neun tödliche Angriffe gibt, bei denen Wölfe Menschen in Europa ab 1900 nachweislich getötet haben. Den letzten Angriff gab es im Jahr 1974.

In allen neun tödlichen Angriffen waren es Kinder, die getötet wurden. Es ist jedoch wahrscheinlich unter Bedingungen passiert, die sich sehr von denen unterscheiden, die wir heute in Dänemark leben, betonte der Biowissenschaftler Peter Sunde.

von

Günter Schwarz – 09.05.2018