(Wacken) – Ohne beständigen Wandel gäbe es das Wacken Open Air heute vermutlich nicht mehr und wird im kommenden Jahr zum 30. Mal stattfinden. Doch viele wahre Metal-Heads fragen sich: „Wieviel Metal steckt eigentlich noch in Wacken?“ Immer häufiger trifft man beim Wacken Open Air auf Stimmung wie am Ballermann. Echte Metal-Heads sind nicht mehr viel zu sehen. Festival-Gründer Thomas Jensen will gegensteuern.

1990 wurde das Festival in einer Sandkuhle am Ortsrand aus der Taufe gehoben. Auf einer selbst gebauten Bühne spielten lokale Bands vor 800 Fans. Diese Kuhle reicht heute nicht einmal mehr für die Mitarbeiter der Festivalproduktion. Festivalgelände und Campingplätze umfassen heute mehr als sieben Quadratkilometer und sind damit fast 20 mal größer als der Vatikan.

Neun Bühnen haben die Macher in diesem Jahr aufgebaut. „Für manche Bands zahlst du locker 150 Euro für ein einziges Konzert“, sagt Benny aus der Schweiz. „Hier hast du 150 Bands und Camping für 220 Euro, das ist doch ein guter Deal!“ Neben den Konzerten sei das Miteinander auf dem Campingplatz und vor den Bühnen sehr wichtig. Clint aus Hamburg ergänzt: „Wenn du hier was vergessen hast oder du hast sonst ein Problem im Camp, dann werden dir die Nachbarn schon aushelfen. Oder wenn im Moshpit einer hinfällt: Da wird sofort ein Kreis gebildet und dann zieht man den wieder hoch, das gibt’s nur unter Metalheads.“

Die neunte Bühne ist neu in diesem Jahr. Sie steht in der ESL-Arena. Einem Zelt, das ganz dem eSport gewidmet ist. Heißt: Computerspiele als Sport. Steffen aus Augsburg ist nicht sehr angetan: „Die Leute, die zocken wollen, sollen gerne zur Gamescom fahren, da ist der passende Rahmen für so was“, sagt er. „Ich fahre doch auch nicht auf ein eSport-Event und erwarte da, Heavy Metal hören zu können. Wacken ist doch eigentlich ein Musikfestival.“ Für ihn ist das zu viel Zirkus, um sogenannte Wacken-Touris zu bespaßen. „Die laufen dann mit weißen Chucks im Moshpit mit und wundern sich, dass sie sich weh tun! Oder hören hier den ganzen Tag Schlager, das braucht doch echt keiner“, schimpft er.

Wacken soll in den kommenden Jahren grüner werden. Die Macher haben seit diesem Jahr eine Partnerschaft mit dem E-Mobilitäts-Spezialisten GP Joule aus Reußenköge in Nordfriesland. „Die präsentieren sich hier auch und zeigen, was in dem Bereich machbar ist“, sagt Wacken-Mitbegründer Holger Hübner. „Da geht es auch um Aggregate, langfristig wollen wir keine diesel- oder benzingetriebenen Aggregate mehr hier haben.“ Das sei aber ein auf mehrere Jahre angelegter Prozess, so Hübner.  Erst einmal wolle man bei der Festivalproduktion verstärkt auf E-Mobilität setzen: Vier E-Bikes hat GP Joule den Machern schon zur Verfügung gestellt, mittelfristig sollen auch Benzin-Quads durch elektrobetriebene Fahrzeuge ersetzt werden.

Aber das ist nicht alles: „Unsere Metalbags sind auch nicht gerade nachhaltig, da ist noch zu viel Plastik drin“, sagt Hübner über die kleinen Geschenktüten, die die Fans am Einlass bekommen. Darin unter anderem Ohrenstöpsel, Regencapes, Kondome, Pflaster und ein Kopftuch gegen die Sonne. Und alles einzeln in Plastik verpackt. „Die Frage ist, wie wir das hinbekommen und wie wir das bezahlen können, denn so was kostet immer erst mal Geld“, so Hübner. „Sponsoren gibt es für so was nicht und wenn wir das auf die Tickets umlegen, sagen die Fans ,Kauft doch davon lieber gute Bands ein‘ und damit haben sie ja auch irgendwie recht.“ Es ist kompliziert.

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NDR / Jörn Schaar – 05.08.2018