(Washington) – „Koste es, was es wolle.“ Mit dieser Haltung brachten die Republikaner ihren Kandidaten für den Obersten Gerichtshof Brett Kavanaugh durch. „Koste es, was es wolle“ hatten sich auch die Demokraten gesagt und eine Zeugin vorgeführt, deren Aussagen sich schließlich nicht erhärten ließen.

Tränen, Wutausbrüche, gegenseitige Beschimpfungen – die Bestätigung Brett Kavanaughs mit der hauchdünnen Mehrheit der Republikaner mit 50 zu 48 Stimmen im Senat wirkte bisweilen wie ein billiges Psychodrama – wenn es nicht die knallharte politische Realität mit nicht unerheblichen Auswirkungen wäre.

Es geht um viel, denn die Rechtsprechung in den USA wird zukünftig eine andere sein, nun, da die Mehrheit im höchsten Richtergremium konservativ gesinnt ist. In einem ersten Schritt werden Fälle ins Leere laufen, die Bürgerrechtler, Umweltschützerinnen und Gewerkschaften dem Supreme Court zur Entscheidung vorgelegt haben.

Dafür dürfen nun die Waffenlobby, Kirchen und das Grosskapital auf günstige Urteile ganz in ihrem Sinne der obersten richterlichen Instanz hoffen.

Kein Wunder, befinden sich die Republikaner derzeit im Siegesrausch. Kein Wunder, versinken die Demokraten in einer Art Staatstrauer. Sie haben soeben den Gral des US-Rechtsystems verloren, und es könnte für sie noch deftiger kommen. Falls Donald Trump in zwei Jahren wie von vielen befürchtet die Wiederwahl schafft, könnte er wahrscheinlich zwei weitere oberste Richter ersetzen – Ruth Bader Ginsburg und Stephen Breyer, beide von Präsident Clinton ernannt, sind über 80 Jahre alt.

So bleibt den Demokraten die Hoffnung, den Schaden politisch zu begrenzen, indem sie in den anstehenden Parlamentswahlen gewinnen und schließlich 2020 Trump aus dem Amt jagen. Doch werden sie das? Das ist weiß Gott nicht sicher, denn vor politischer Dummheit sind auch die US-Amerikaner, die sich selbst geradezu für „Musterdemokraten“ halten, nicht gefeit.

Das Drama um die Kavanaugh-Ernennung hat die republikanische Basis stark mobilisiert – die Republikaner haben in Umfragen jüngst deutlich Boden gutgemacht. Derweil mokiert sich Präsident Trump über die Zeugin Christine Blasey Ford in aller Öffentlichkeit vor seinen Anhängern und macht sie lächerlich. Die Frau, die gegen Kavanaugh ausgesagt hatte,wird bloß gestellt und verunglimpft werden „so nebenbei“ die unterlegenen Demokraten. Diese schäumen vor Wut und schwören Rache.

Es scheint, als ob es in der US-Politik 2018 nur noch verbrannte Erde gibt. Und nicht nur in der Politik. Die Spaltung geht durch Staaten, Dörfer, Familien. Man hört in Gesprächen im Alltag immer öfter das Wort Bürgerkrieg. Es ist (noch) nicht ein realer, aber ein mentaler Bürgerkrieg.

Was bedeutet das für eine Demokratie? Sicher nichts Gutes. Und nun hat auch der Supreme Court seine Mitte und seine Contenance verloren, womit es als unabhängiges Regulativ ausfällt. Brett Kavanaugh mag als Jurist hochqualifiziert sein, doch politisch ausgewogen ist er zwefellos nicht. Er sei ein Opfer eines linken politischen Anschlags, sagte er während der Anhörung. Er schrie es fast hinaus. Die Paranoia der Amerikaner voreinander hält nach dem Einzug im Weißen Haus durch Donald Trump nun auch Einzug im Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten – und das lässt Schlimmes über die Grenzen der USA hinaus befürchten.

von

Günter Schwarz – 08.10.2018