(Odense) – Der Polizist Kristian Rasmussen war einer von 2.235 dänischen Polizeibeamten, die während des Zweiten Weltkriegs und der Besatzungszeit Dänemarks durch das Deutsche Reich vom 09. April 1940 bis zum 05. Mai 1945 in ein deutsches Konzentrationslager deportiert wurden.

Da die rund 10.000 Mann starke dänische Polizei nach deutscher Ansicht nicht hart genug gegen den dänischen Widerstand vorging und Hitler befürchtete, dass deren Mitglieder – wie bei der Pariser Polizei geschehen – mehrheitlich die Front wechseln könnte, wurde sie im Rahmen der militärischen „Aktion Möwe“ am 19. September 1944 aufgelöst, und es wurden 2.235 Polizisten in die Konzentrationslager Neuengamme im Osten Hamburg Bergedorfs und Buchenwald auf dem Ettersberg bei Weimar deportiert.

Kristian Andreas Laurits Rasmussen überlebte Hunger, Krankheiten und den Schrecken des Konzentrationslagers, denen die 2.235 dänischen Polizeibeamten in den deutschen KZ-Lagern ausgesetzt waren.

Unter Einsatz seines Leben schrieb er heimlich, als niemand es sah, Notizen in einem Tagebuch, das er ins Lager eingeschmuggelt hatte und das als „Fynsk-Tagebuch“ veröffentlicht wurde. So schrieb Kristian Andreas Laurits Rasmussen aus Odense am 6. Oktober 1943 im KZ-Lager Buchenwald in Deutschland: „Es geht das Gerücht um, dass zehn US-Fallschirmdivisionen in Düsseldorf gelandet sind und dass Rot-Kreuz-Pakete kommen sollen. Grüße an Knud Jakobsen, Helge Hansen, Goltermann und Olesen, die Københavnerne (Kopenhagener) sind und alle in gestreiften Gefangenenanzügen mit Nummern darauf herumlaufen.“

„Es ist ein völlig einzigartiges Dokument, weil es niemanden in Dänemark gibt, von dem wir wissen, der über sechs bis sieben Monate ein Tagebuch in einem Konzentrationslager über völlig alltägliche Dinge und Beschreibungen von dortigen Geschehen geschrieben hat“, sagt Jøren Thomsen, Stadtarchivar in Odense begeistert.

Sein Herzenswunsch ist es, das Wissen darüber so weit wie möglich zu verbreiten. Deshalb steht das historische Tagebuch jetzt allen zur Verfügung und nicht nur den Nutzern des Historiens Hus (Geschichtshaus) im Zentrum von Odense. Das Buch ist zum Teil auf der Website www.arkiv.dk veröffentlicht worden, die eine landesweite Initiative ist, in der Jørgen Thomsen im Vorstand sitzt.

„Wir glauben, dass durch den Zugang zum direkten Blick auf die Quellen – die authentischen Quellen – das Interesse an der Geschichte gefördert wird“, hofft Jørgen Thomsen.

Das kleine Tagebuch enthält Aufzeichnungen über fast ein halbes Jahr aus mehreren deutschen Konzentrationslagern.

Die Seite www.arkiv.dk ist eine sehr beliebte Website, zu der das Stadtarchiv von Odense und 580 weitere dänische Ortsarchive mit Bildern und anderem Material beitragen. Seit seinem Erscheinen im Jahr 2015 herrscht darauf reger Verkehr mit z. Z. Rund 94 Millionen Seitenaufrufen. Seither wurde die Seite um einige neue Funktionen erweitert, die das Auffinden und Lesen aller Kulturbeiträge erleichtern – beispielsweise das Tagebuch der Polizei.

„Wir haben Archivmaterial von bedeutender nationaler Bedeutung in unserem lokalen Archiv. Vieles ist nicht nur im Nationalarchiv zu finden. Es ist wunderbar, dass wir jetzt die Chance haben, den Archivreichtum für alle zu erschließen“, sagt Jørgen Thomsen und fügt hinzu: „Ich werde bald in Rente gehen, und für die Zeit schweben mir schon einige Projekte vor. Eines davon ist, ein Buch zu schreiben, das auf dem Tagebuch von Kristian Andreas Laurits Rasmussen basiert. In diesem Zusammenhang suche ich Kontakt zu Rasmussens Sohn, Ole Hans Rasmussen, der gerade 80 Jahre alt geworden ist und im US-Bundesstaat Indiana lebt. Es könnte interessant sein zu erfahren, welche Bedeutung der Aufenthalt des Vaters im KZ für ihn hat.“.

von

Günter Schwarz – 15.02.2019