Der sozialistische Führer Louis Pio reist nach Drohungen der Polizei und Bestechungsgeldern von dänischen Arbeitgebern und Unternehmen in die Vereinigten Staaten.

Der Sozialistenführer Louis Albert François Pio, der in Dänemark als Begründer der Arbeiterbewegung gilt, erblickte das Licht der Welt am 14 Dezember 1851 in Roskilde als Sohn des französischstämmigen Einwanderers Kapitän Vilhelm Emil Laurent Pio und Anna Marie Brix.

Nach seinem Abitur 1859 arbeitete Louis Pio als zunächst als Lehrer, bis er 1864 am 2. Slesvigske Krig (Deutsch-Dänischer Krieg) als Offizier teilnahm. 1870/71 arbeitete er bei der Dänischen Post und machte dort einen Vorschlag für einen verbesserten Briefkasten der Briefzustellung. Diese Stellung kündigte er dann, um sich ganz der sozialistischen Agitation zu widmen.

Pio war stark beeinflusst von der Pariser Kommune und dem literarischen Wirken Henri Rocheforts. 1871 gab er einige Flugschriften mit dem Titel „Socialistiske Blade“ (Sozialistische Blätter) heraus. Im selben Jahr war er zusammen mit seinem Cousin Hrald Brix Herausgeber der Wochenzeitung Socialisten (Der Sozialist). Obwohl seine ersten Artikel nur rohe Bearbeitungen deutscher Schriften waren und den dänischen Verhältnissen kaum angepasst worden waren, legte er hier den Grundstein für die sozialistische Bewegung in Dänemark.

1871 gründete er zusammen mit Blix und Paul Geleff die däniche sozialdemokratische Arbeiterpartei unter dem Namen „Den internationale Arbejderforening for Danmark“ (Internationale Arbeiterassoziation für Dänemark). Bereits ein paar Monate später hatte sie 9.000 Mitglieder, davon 5.000 in Kopenhagen.

Gleichzeitig war Pio Hauslehrer bei einer Kammerherrin Berling und reiste im Dezember 1871 auf ihre Kosten nach Genf, um dort den Katholizismus zu studieren. Dort verwarf er jedoch seinen Wunsch, Mönch zu werden, und knüpfte stattdessen Verbindungen zu marxistisch-revolutionären Kreisen. Auf seiner Heimreise lernte er die Führer der deutschen Sozialisten August Bebel und Karl Liebknecht kennen.

Nach seiner Rückkehr im Februar 1872 trat er als „Großmeister“ der dänischen Abteilung der Internationale auf, indem er von einer Neuauflage der Pariser Kommune sprach und einer darauf folgenden Revolution in Deutschland. Pio selbst erhoffte sich dann eine führende Stellung in Dänemark.

Ab 1872 erschien „Socialisten“ täglich, und Pios polemische Angriffe gegen die Behörden und das Großbürgertum verstärkten sich. Am 4. Mai 1872 wurde Pio verhaftet, als er eine verbotene Arbeiterversammlung zum 5. Mai nicht absagen wollte, zu der er zuvor mit dem Artikel „Målet er fuldt“ (Das Maß ist voll) aufgerufen hatte. Die gewalttätigen Auseinandersetzungen am 05. Mai 1872 zwischen Polizei und Arbeitern wurden als „Slaget på Fælleden” (Schlacht auf der Allmende) bekannt. Im März 1873 wurde Pio wegen dieser Revolte zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt, doch in letzter Instanz wurde die Strafe im August vom Höchsten Gericht auf fünf Jahre herabgesetzt, von den er zwei Jahre absaß, da Pio 1875 wegen seines bedrohlichen Gesundheitszustandes begnadigt wurde.

Im selben Jahr wurde er Herausgeber der Zeitung Social-Demokraten, die 1874 Socialisten ablöste. 1876 wurde Pio auf dem sogenannten Gimle-Kongress der Sozialdemokraten in Frederiksborg einstimmig zum Vorsitzenden gewählt. Doch bald wurde sein selbstherrlicher Führungsstil kritisiert, da er sich schwer tat, sich mit den gewählten Parteigremien zu beraten.

Bei der Folketingswahl 1876 kandidierte Pio in Københavns 5. Wahlkreis und erhielt ein Drittel der Stimmen.

In dieser Zeit erlebte Dänemark eine Wirtschaftskrise, die Arbeitslosigkeit stieg, die Reallöhne sanken, und die Arbeiterbewegung erlebte mehrere Niederlagen. Die Zeitung „Social-Demokraten“ verlor viele Leser. Pio verschuldete sich. Im Frühjahr 1877 erhielten er und Geleff von der Polizei 10.000 Kronen, um in die USA auszuwandern. Das Geld stammte u. a. von der Werft Burmeister & Wain. Dieser Vorgang wurde damals allgemein als Kombination aus Drohungen und Bestechung angesehen, um Pio aus der dänischen Politik zu verdrängen. Es sollte Jahre dauern, bis sich die dänische Arbeiterbewegung von dieser doppelten Niederlage erholte.

In den USA scheiterte Pios Versuch, eine sozialistische Landkommune in Kansas zu errichten. Danach arbeitete er in Chicago als Vortragsredner und Journalist für diverse Zeitungen skandinavischer Einwanderer, die aber nie lange existierten. 1886–88 bekam er durch Vermittlung der Demokratischen Partei eine Stelle als Zöllner. In seinen letzten Jahren war er Landagent zur Gründung einer dänischen Siedlung in Florida.

Louis Pio verstarb am 27. 1894 an Typhus.

von

Günter Schwarz – 23.03.2019