(Hamburg) – Im Konflikt zwischen Russland und der Ukraine um die Festnahme von 24 ukrainischen Matrosen hat der Internationale Seegerichtshof in Hamburg (ISGH) Russland zur sofortigen Freilassung der ukrainischen Seeleute verurteilt. Das Votum der Richter ist eindeutig: Russland hatte kein Recht dazu, am 25. November vergangenen Jahres im Schwarzen Meer die beiden ukrainischen Marineboote „Berdjansk“ und „Nikopol“ sowie den Marineschlepper „Jani Kapu“ zu stoppen, zu kapern und die Seeleute in ein Gefängnis zu stecken.

Die Schiffe waren zwischen dem Schwarzen Meer und dem Asowschem Meer unterwegs von einem ukrainischen Hafen zu einem anderen. Dabei mussten sie die Straße von Kertsch passieren, die das ukrainische Festland von der russisch besetzten Halbinsel Krim trennt. Dort beschoss die russische Küstenwache drei ukrainische Marineschiffe, mehrere ukrainische Marinesoldaten wurden verletzt und 24 Besatzungsmitglieder festgenommen.

Die russische Seite hatte allerdings bereits im Vorfeld den ISGH in Kenntnis gesetzt, dass sie den Gerichtsanhörungen fernbleiben werde, weil die Gerichtsbehörde keine Jurisdiktion zur Verhandlung der Klage der Ukraine zum Zwischenfall in der Straße von Kertsch besitze. Moskau wirft den Marinesoldaten vor, in einer Art geheimen Operation die russischen Hoheitsgewässer verletzt zu haben. Das hält der Internationale Seegerichtshof in Hamburg für unwahrscheinlich. Das Vorgehen Russlands sei vielmehr geeignet dazu, die internationale Sicherheit zu gefährden.

Für die Freigabe der beschlagnahmten Schiffe und die Freilassung der festgehaltenen Marinesoldaten stimmten 19 Richter, lediglich ein Richter aus Russland votierte dagegen. Russland solle die ukrainischen Matrosen „unverzüglich“ freilassen und in ihr Heimatland zurückkehren lassen, erklärte der Gerichtspräsident, der Südkoreaner Jin-Hyun Paik, in dem am heutigen Samstag verkündeten Urteil. Auch die drei beschlagnahmten ukrainischen Schiffe sollen demnach „unverzüglich“ freigegeben und an die Ukraine zurückgegeben werden. Gemäß dem Urteil müssen beide Parteien jegliche Schritte unterlassen, die zu einer Eskalation führen könnten.

Die Ukraine betrachtet die Seeleute als Kriegsgefangene und schaltete im April den Internationalen Seegerichtshof ein, um ihre Freilassung zu erreichen. Russland hat die Zuständigkeit des Gerichts jedoch bestritten und das Verfahren boykottiert. Dennoch ist Russland nach dem Seerechtsübereinkommen verpflichtet, sich an die Entscheidung des Gerichts zu halten.

Sanktionen kann der Seegerichtshof allerdings nicht verhängen. Ob und wann die ukrainischen Soldaten deshalb tatsächlich aus der Haft in Moskau entlassen werden, die im Moskauer Untersuchungsgefängnis „Lefortowo“ einsitzen, ist weiterhin unklar.

von

Günter Schwarz – 25.05.2019