Sehen Muftis am Ende des muslimischen Fastenmonats Ramadan den Mond nicht, heißt es für gläubige Muslims, einen Tag weiterzufasten. Dieses Sehen oder auch Nichtsehen der Mondsichel durch die geistigen Führer der Muslims wird auch politisch genutzt.

Heute beginnt mit dem „Eid Al Fitter“ das Fest des Fastenbrechens im Islam in den ersten drei Tagen des Nachfolgemonats Schauwāl. Höhepunkt des Festes ist der erste Tag, der mit der Sichtung des Neulichtes nach dem Neumondd beginnt. Im Türkischen wird das Fest als „Ramazan-Fest“ (Ramazan Bayramı) oder Zuckerfest (Şeker Bayramı) bezeichnet.

Den Auftakt machen traditionell die Grossmuftis in den jeweiligen Ländern. Sie müssen melden, dass sie die Mondsichel am Himmel persönlich gesehen haben. Erst wenn diese Meldung erfolgt ist, ist das Ende des Ramadans für 1,8 Milliarden Musliminnen und Muslime in aller Welt offiziell, und die Festessen können beginnen.

Wenn das Wetter nicht mitspielt, und für den Fall, dass die Mondsichel zum Ende des Ramadans nicht sichtbar ist, wird die Fastenzeit automatisch um einen Tag auf 30 Tage verlängert. Das kann wetterbedingt geschehen, wenn etwa der Himmel bedeckt ist oder wenn Wüstenstaub den Blick auf Mond und Sterne unmöglich macht.

Wenn die Politik hineinspielt, kann es allerdings auch sein, dass man in einem Land die Mondsichel bereits gesichtet hat, während sich das benachbarte Land noch Zeit lässt. Natürlich würde kein Grossmufti je zugeben, dass Politik bei der Sichtung der Mondsichel eine Rolle spielt. Aber es ist doch sehr erstaunlich, wie politisch sich der Mond verhalten kann.

Zwei aktuelle Beispiele sind vom gestrigen Abend zu nennen, als die Muftis in Syrien in den Gebieten unter der Kontrolle von Präsident Assad die Mondsichel nicht gesehen haben. Ganz zufällig wurde die Sichel auch im Iran nicht gesichtet, dem Assad politisch sehr nahesteht. In den Gebieten ausserhalb von Assads Kontrolle dagegen bestätigten die Muftis die Sichtbarkeit der Mondsichel, zufälligerweise gleichzeitig wie auch in Saudi-Arabien.

Dasselbe Muster vollzog sich im Bürgerkriegsland des südjemenitischen Aden, wo die Regierung von den Saudis gestützt wird und die hohen Gelehrten die Mondsichel erblickten. Im Gebiet der Huthi-Rebellen um die Stadt Sanaa hingegen entzog sich die Mondsichel in wundersamer Weise den Augen der Muftis.

Das Datum für den Fastenmonat Ramadan wird lange Zeit im Voraus im Kalender festgelegt, wobei sich die Muslime bei ihren religiösen Festen nicht am Gregorianischen Kalender, sondern am Mondkalender orientieren. So hat das islamische Festjahr nicht 365, sondern 364 Tage. Infolgedessen verschiebt sich das Fest des Fastenbrechens wie die anderen islamischen Feste gegenüber dem Sonnenkalender jedes Jahr um elf Tage nach vorn, wird also jedes Jahr früher gefeiert, im Schaltjahr um zwölf Tage.

Doch das letzte und entscheidende Wort haben die Muftis. Es steht selbst über Mekka in Saudi-Arabien, das in der Regel bei religiösen Fragen im Islam tonangebend ist.

Das führt zwangsläufig zu organisatorischen Problemen wie jetzt gerade in Jordanien. So ist zwar bereits Feiertag. Da aber gestern Abend die Mondsichel nicht gesichtet wurde, muss einen Tag länger gefastet werden. Das große und aufwendig geplante Fest mit Familie und Bekannten muss halt einen Tag warten.

von

Günter Schwarz – 05.06.2019