Eine höhere Wahlbeteiligung in den „Ghettos“ ist trotz der Tatsache zu verzeichnen, dass die Abstimmungsrate auf nationaler Ebene von 85,9 Prozent im Jahr 2015 auf 84,6 Prozent im Jahr 2019 leicht gesunken ist.


Die Wahlbeteiligung bei Zuwanderern und Nachkommen mit dänischer Staatsangehörigkeit ist traditionell geringer als bei ethnischen Dänen. Im Jahr 2015 waren es unter Zuwanderern 20 Prozentpunkte weniger Wähler als unter ethnischen Dänen.

In diesem Jahr verzeichnen Wahllokale in mehreren „Ghettos“ und vom Abriss gefährdeten Wohngebieten, in denen in der Regel ein hoher Anteil von Wählern mit unterschiedlichem ethnischen Hintergrund leben, einen starken Anstieg des Stimmenanteils.

„Dieses sind Wohngebiete mit vielen neuen Dänen, und das deutet darauf hin, dass viele der neuen Dänen ihre Wahl getroffen haben, und sie haben ihr Kreuz gesetzt, um ihren Unmut zu zeigen“, sagt Kasper Møller Hansen, Wahlforscher an der Universität København.

Die Wahllokale, die in diesem Jahr eine größere Wahlbeteiligung hatten als bei den Wahlen im Jahr 2015, befinden sich in Vollsmose in Odense, Tingbjerg in København und Gellerupparken in Aarhus.

„Es ist wirklich schön, dass sich mehr Menschen für unsere Demokratie interessieren“, sagt Rabi Azad-Ahmad, der der Stadtrat für Kultur und Bürgerdienste in der Kommune Aarhus und der Wahlleiter von Gellerup ist. „Es ist wichtig, dass jeder an einer Demokratie teilnimmt und gehört wird“, fährt er fort.

Ihm zufolge ist die Entwicklung zum Teil den freiwilligen Gruppen zu verdanken, die für die Wahl von Tür zu Tür gegangen sind. Er ist aber auch überzeugt, dass sich mehrere neue Dänen für die Abstimmung entschieden haben, weil sie nervös waren, dass Parteien wie Rasmus Paludans rechtsradikaler „Stram Kurs“ (Strmmer Kurs) Einfluss bekommen würden.

„Ich habe mit einigen gesprochen, die normalerweise nicht wählen, aber sie haben den Ton der Medien und Rasmus Paludan satt. Sie sind besorgt darüber, was mit ihnen und ihren Kindern passieren wird. Sie haben gedacht, dass es zu ernst ist, nicht an der Wahl teilzunehmen“, sagt Rabi Azad-Ahmad. Und Kasper Møller Hansen, Wahlwissenschaftler der Universität København, stimmt dem zu.

„Es ist etwas, worauf viele Einwanderer selbst hinweisen – dass die Rhetorik zu hart geworden ist und dass sie nicht darauf eingehen wollen“, sagt er und fährt fort: „Es gab auch muslimische Gruppen und Netzwerke, die zur Teilnahme an der Wahl und zur Abstimmung aufgerufen haben.“

Er weist auf die Facebook-Gruppe „Muslime zu den Wahlen 2019“ hin, in der sich mehr als 25.000 Internetuser mit dem Slogan „Yalla! Abstimmen oder nach Hause gewählt werden“ beteiligt haben. „Der Zweck der Gruppe war es, den Prozentsatz der Stimmen von Einwanderern mit dänischer Staatsbürgerschaft zu verbessern“, sagt der 23-jährige Issam El-Khatib, der der Administrator der Facebook-Gruppe ist.

Slogans wie „Yalla! Wählen Sie oder lassen Sie sich nach Hause wählen“ geben einen klaren Hinweis auf den Rasmus-Paludan-Parteikurs, der im Wahlkampf von der Rückführung von Tausenden von Muslimen gesprochen hat und auf Wahlveranstaltungen sogar den Koran verbrennen ließ.

„Die Tatsache, dass in mehreren Ghettobereichen Fortschritte erzielt wurden, berührt mich sehr positiv. Der Zweck der Gruppe war es, sowohl unsere Generation als auch die ältere Generation zu ermutigen, wählen zu gehen und Einfluss auf die Gesellschaft zu nehmen, in der wir leben“, sagt er.

In den drei „Ghettos“ Gellerupparken, Vollsmose und Tingbjerg ist es die linksliberale Radikale Venstre, eine sozial-liberale Partei, die die meisten Stimmen erhielt. „Dieses zeigt, dass die Neudänen beschlossen haben, zu den wertpolitischen linken Parteien zu gehen, was man auch von ihnen erwarten kann“, sagt Kasper Møller Hansen.

Er räumt ein, dass die Wahlquote für die gesamte Bevölkerung in diesem Jahr etwas niedriger war als 2015 – genau um 1,3 Prozentpunkte.

Obwohl Rasmus Paludan nicht ins Folketing gewählt wurde, geht Rabi Azad-Ahmad davon aus, dass sich die Entwicklung bei den nächsten Parlamentswahlen fortsetzen wird. „Es besteht kein Zweifel daran, dass die Menschen erkannt haben, dass es sich lohnen kann, und das bedeutet, dass die Menschen in Zukunft eher bereit sind, ihre Stimmrechte zu nutzen“, sagt er.

von

Günter Schwarz – 07.06.2019