Nach dem Terroranschlag von Halle, bei dem der Attentäter Stephan Balliet zwei Menschen tötete sowei weitere zum Teil schwer verletzte und versuchte, am Jom Kippur, dem höchsten jüdischen Feiertag, in eine Synagoge in Halle einzudringen und die dort versammelten 70 bis 80 Gläubigen zu überfallen, steht auch die AfD weiterhin in der Kritik. Der Vorsitzende des Bundestags-Rechtsausschusses, der Jurist Stephan Brandner (AfD), löste mit zwei Tweets auf Twitter Empörung aus.

Im ersten Fall handelt es sich um den Retweet eines Nutzers namens „Hartes Geld“. Darin wirft dieser diese Frage auf: „Warum lungern Politiker mit Kerzen in Moscheen und Synagogen rum?“ Schließlich seien ja eine „Deutsche, die gern Volksmusik hörte“, und ein „Bio-Deutscher“ Opfer des „Amokläufers von Halle“ geworden. Dass der Anschlag ursprünglich der Synagoge galt, verschweigt der Tweet.

In einem eigenen Tweet verbreitet Brandner ein Foto des jüdischen Publizisten Michel Friedman, versehen mit den Worten: „Jede Sendeminute dieses deutschen Michel treibt uns neue Anhänger in Scharen zu – weiter so!“ Es folgen die Hashtags „#PaoloPinkel“, „#Koksnase“, „#Zwangsfunk“.

Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion, Britta Haßelmann, sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: „Es ist beschämend, welche Hatz und Hetze er verbreitet. Das ist eines Rechtsausschuss-Vorsitzenden unwürdig.“

Der ehemalige CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz fragte bei Twitter: „Wie wär’s, wenn sich die demokratischen Abgeordneten mal weigern würden, an Sitzungen des Rechtsausschusses teilzunehmen, die dieser Herr leitet?“

Brandner wird zum rechten Flügel der AfD gerechnet und gilt als Vertrauter des thüringischen Partei- und Fraktionsvorsitzenden Björn Höcke. Es ist auch nicht das erste Mal, dass er provoziert. Im Mai attackierte Brandner vom Rednerpult des Bundestages aus den Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier mit den Worten „Der Rechtsstaat erodiert, und das auf nahezu sämtlichen Ebenen. Fangen wir ganz oben an, beim Staatsoberhaupt. Guten Tag, Herr Steinmeier.“ Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) rief ihn daraufhin zur Ordnung.

Der AfD-Vorsitzende Jörg Meuthen wies die gegen die AfD erhobenen Vorwürfe scharf zurück. Die Anschuldigungen seien „absurd und infam“, sagte er ebenfalls im ZDF-„Morgenmagazin“ am Freitag. „Wie kann man angesichts eines solchen Verbrechens, das die Republik schockiert hat, anfangen mit parteipolitischer Instrumentalisierung?“

Die AfD sei eine „durch und durch pro-israelische und pro-jüdische“ Partei, die sich „mit Nachdruck für jüdisches Leben in Deutschland einsetzt, das für uns Bestandteil unserer Identität ist“, sagte Meuthen und er fügte an, die AfD sei eine rechtstaatliche Partei. – Aus Meuthens Aussage wird allerdings klar ersichtlich, dass der AfD-Vorsitzende seine eigene Partei nicht kennt und über deren Ziele schon gar nichts weiß.

Der AfD-Vorsitzende warf den Sicherheitsbehörden zudem Versagen vor bezüglich des Anschlags vor der Synagoge vor. Er behauptet, die jüdische Gemeinde in Halle habe mehrfach um Polizeischutz am jüdischen Feiertag Jom Kippur gebeten und ihn nicht erhalten.

Erst im März dieses Jahres stürmte ein Rechtsterrorist im neuseeländischen Christchurch zwei Moscheen und tötete 51 Menschen. Der Attentäter filmte die Tat aus der Ego-Perspektive und verbreitete die Bilder live auf Facebook. In einschlägigen Foren wurde er als Held gefeiert.

Schnell wurden Warnungen laut, der Terror im Livestream rufe Nachahmer auf den Plan. Am Mittwoch könnte in Halle genau das passiert sein, glaubt Holger Schmidt, Terrorexperte der ARD: „Mein Eindruck ist, dass der Täter Christchurch nachahmen wollte.“

Auch der Attentäter von Halle versuchte seinen Terror wie ein Computerspiel zu inszenieren. Wie der norwegische Massenmörder Anders Breivik veröffentlichte er ein Manifest, das seine Tat legitimieren soll.

Vor seiner Tat tauchte Stephan Balliet weder auf dem Radar der Polizei noch des Verfassungsschutzes auf. Ein Versäumnis? Schmidt relativiert: „Seit den Schreckenstaten des NSU-Netzwerks ist es gelungen, eine ganze Reihe ähnlicher Gruppen rechtzeitig zu entdecken.“ Der Ermittlungserfolg hat jedoch eine Kehrseite, denn er hängt auch damit zusammen, dass die rechtsextreme Szene in Deutschland zusehends selbstbewusst und gewaltbereit auftritt. Auch, weil die Politik die Grenzen des Sagbaren verschiebt, wozu die AfD-Redner mit ihren nahezu ständig verwandten Zitaten aus Reden eines „Herrn“ Adolf Hitler und seines Propagandaministers Joseph Goebbels nicht unerheblich beitragen.

von

Günter Schwarz – 13.10.2019