Ein Beitrag der Berlingske sorgt seit der vergangenen Woche für heftige Diskussionen auf sämtlichen Medienplattformen im Königreich. Auslöser der Debatte war die vermeintliche Erfolgs-Nachricht des Metropolitan Schwimm-Vereins, viel mehr Migranten-Mädchen zum Schwimmen zu bekommen, indem Jungen und Mädchen voneinander getrennt würden. Zudem habe man einen Sichtschutz installiert, der die Mädchen vor den neugierigen Blicken Gleichaltriger schützen. Eigentlich eine tolle Sache. Ganz anderer Auffassung waren verschiedene Parteien in Christiansborg, die bei dieser gut gemeinten Aktion den Integrationsgedanken und »dänische Werte« nicht erkennen konnten.

Der empörte Aufschrei aus den Sozialen Medien ließ nicht lange auf sich warten. Ist es okay, dass Fenster verhängt und Jungen und Mädchen voneinander getrennt werden? Sind das dänische Werte? Warum eigentlich nicht?

In unseren freien westlichen Gesellschaften hat jeder Bürger das Recht, sich selbst innerhalb seines Umfeldes zu definieren. Wir selbst dürfen entscheiden, wie viel wir von unserer Kultur annehmen und umsetzen; oder auch nicht. Niemand schreibt uns vor, in die Kirche zu gehen. Niemand zwingt uns zu »stegt flæsk med persillesauce« (dän. Nationalgericht: gebratenes Schweinefleisch mit Petersilien-Sauce). Niemand wird uns vorwerfen, in ein China-Restaurant zu gehen, einen Döner hastig auf dem Weg nach Hause zu essen oder sich tatsächlich selbst in die Küche zu stellen und Nationalgerichte aus Großmutters Kochbuch zu zaubern. Es gibt Frauen, die in den Sommermonaten möglichst kurze Röcke und Kleider tragen. Andere bevorzugen längere Kleidung. Ich selbst gehe lieber in die Sauna, wenn »Frauentag« ist, weil ich es unangenehm finde, mit fremden schwitzenden Männern nackt auf einer Holzbank zu sitzen. Niemand wirft mir deswegen vor, prüde zu sein oder gar dänische Werte zu missachten. Es ist meine persönliche Entscheidung. Politologen nennen das »kulturelle Appropriation«.

Die Frage ist also, warum es uns Dänen gestattet sein soll, nur Teile unserer dänischen Standards und Kultur annehmen zu müssen, gleichzeitig aber zu verlangen, dass der Rest persönliche Entscheidungen auf die Waagschale kultureller Aneignung legt. Schamgefühl, Geschmack oder Präferenzen gehören in den Bereich persönlicher Definition – nicht aber zu der unbedingten Identität einer Kultur.

Die Sozialen Medien sind da weniger reflektiert. Ich frage mich, wann endlich eine Diskussion darüber ausbricht, ob ein japanischer Pianist Beethoven oder Mozart spielen darf? Dänemark, Deutschland und auch viele andere westliche Länder stehen für Rechtsstaatlichkeit und universelle Menschenrechte. Zumindest behauptet man das. Ist es dann nicht eigentlich ein sehr hohes Gut, die Freiheit zu haben, Fenster zu verhängen und kleine Mädchen unter sich schwimmen zu lassen?

Vorerst wird weiter diskutiert. Es gehört nämlich auch zu der dänischen Identität und Volkskultur so eine Sau tatsächlich bis in die letzte Gasse zu treiben. In Aarhus und Odense wird der nach Geschlechtern getrennte Schwimmunterricht im Anschluß zum Metropolitan-Schwimm-Skandal zum Politikum.

von
Line Holm – 29.04.2016