Der sozialdemokratische Bundeskanzler Österreichs, Werner Faymann, lange Zeit ein Verbündeter der deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, trat am Montag, den 9. Mai 2016, von seinem Amt zurück. Anlass war der derbe Schlag, den seine Partei in der ersten Runde der österreichischen Präsidentschaftswahlen von den Wählern erhielt und die sich mehrheitlich für den Kandidaten von der rechtspopulistischen FPÖ, Norbert Hofer, entschieden.

Der britische Premierminister David Cameron führt einen harten Kampf im Angesicht der Volksabstimmung am 23. Juni, um die Briten davon zu überzeugen, in der EU zu bleiben, und aus lauter Verzweiflung scheut er nicht einmal vor dem Argument zurück, dass ein Auszug der Briten aus der Union gar zu einen dritten Weltkrieg führen könnte

Durch Europa rollt wahrlich ein „Volksaufstand“, und es ist höchste Zeit der führenden Politiker und vor allen Dingen für Angela Merkel, an die EU ein Signal zu senden, wie man das Problem konkret zu lösen gedenkt.

Merkels Partei in Deutschland, der CDU/CSU laufen die Wähler in Scharen davon. Die aktuelle Umfrage des Meinungsforschungsinstitut Infratest ergab mi 30,5 % den niedrigsten jemals gemessenen Wert der beiden Schwesterparteien. Seit der letzten Bundestagswahl im Jahr 2013 ist das ein Rückgang von 11 Punkten! Noch kritischer sieht es aus, wenn man die Zustimmung zu allen Regierungsparteien einschl. der SPD betrachtet, denn dann kommt man insgesamt auf ein Minus von 17 Punkten im Vergleich zu den Wahlen im Jahr 2013.
Die neue rechtspopulistische Partei in Deutschland, die „Alternative für Deutschland (AfD)“, die sich vehement gegen die Flüchtlingspolitik der Bundeskanzlerin zur Wehr setzt, stürmt dagegen nach oben und gewinnt zunehmend Zuspruch aus allen Lagern der sogenannten etablierten Parteien. Zuvor hielten viele Wähler Merkel für den besten Kanzler, den Deutschland je hatte. Besonders ihre Führungsqualitäten wurden allseits sehr geschätzt.

Doch jetzt haben die Deutschen offenbar genug von der einst so populären Kanzlerin, die sie mit dem Schock auf die Bevölkerung mit ihrer Flüchtlingspolitik verursacht hat, wie es auch Infratest bestätigt. Zwei Drittel der Wähler möchten Angela Merkel nach der nächsten Bundestagswahl 2017 nicht länger als Kanzlerin sehen..
Die anfängliche Kritik entwickelte sich zunehmend zu Unzufriedenheit und gar Ablehnung mit der Politik der vormals „unantastbaren“ Kanzlerin, als sie im vergangenen Jahr entschied, in Deutschland die Türen für über 1 Millionen Asylbewerber zu öffnen. Immer mehr Deutsche bekamen das Gefühl, die deutsche Gesellschaft und ihr eigenes tägliches Leben würde durch den Flüchtlingszustrom ernsthaft gefährdet und geschädigt werden.

Es wurde auch nicht besser, als Merkel sich verstärkt um eine enge Zusammenarbeit mit der Türkei bemühte, um den Fluss der Asylanten zumindest zu verlangsamen. So schloss die EU auf maßgebliches Drängen von Frau Merkel mit der Türkei unter Vertretung des Regierungschefs Davutoglu ein „Flüchtlingsabkommen“, das sogleich auf ein tiefes Misstrauen unter den deutschen Wählern traf, wobei die meisten unter ihnen dieses Abkommen schlichtweg ablehnten.

Die Lage spitzte sich weiterhin zu, als der Eindruck entstand, die Bundeskanzlerin verhielte sich gegenüber dem autoritären Präsidenten der Türkei, Erdogan, zu schwach und nachsichtig. Erdogan ist in Deutschland alles andere als populär, denn in ihm sehen viele Deutsche einen „politischen Brandstifter“, der schon seit Jahren einer Integration ehemaliger türkischer Gastarbeiter in Deutschland im Wege steht.

Das Fass zum Überlaufen brachte jedoch, als Erdogan mit Genehmigung der Kanzlerin bei Gericht eine Klage wegen Beleidigung gegen den deutschen Satiriker Jan Böhmermann einreichte, der sich in einer ZDF-Satiresendung über diesen lustig gemacht hatte. Statt diesen Angriff auf die Meinungsfreiheit abzuweisen, entschuldigte sich Angela Merkel bei Erdogan für Böhmermanns Satire und gab der Klage ihre Zustimmung. Damit verschwand jeglicher „Glanz“ von Merkel vollständig, und ihr Verhalten manövrierte sie in ein schreckliches Dilemma.

Angela Merkels großes Problem ist, dass sie voll auf das Asylabkommen mit der Türkei gesetzt hat, und deshalb wird sie daran festhalten, solange es ihr möglich ist. Erdogan dagegen weiß um seine Stärke und treibt die Bundeskanzelerin geradezu vor sich her. Erst entließ er Davutoglu als Regierungschef, und jetzt lässt er seine Muskeln gegen Merkel spielen.

Die Türkei setzt darauf, die Flüchtlinge weitgehend im Land zu halten, wenn die EU den Türken die Visumsfreiheit einräumt und zusätzlich 6 Milliarden Euro an Beihilfe zur Flüchtlingsversorgung innerhalb der Türkei zahlt.

Die in diesem Zusammenhang ausgehandelte Regelung der EU, die Türkei müsse ihre weitreichenden „Terror-Gesetze“ ändern, mit denen Erdogan seine Gegner zu verfolgen lässt, stoßen bei Erdogan auf taube Ohren und stürzen Merkel in ein nur sehr schwer lösbares Problem. Gewährt die EU den Türken keine Visumsfreiheit und verzichtet sie nicht auf die Änderung der türkischen „Terror-Gesetze“, droht das gesamte Asylabkommen zu scheitern! Gibt die EU und damit auch Frau Merkel nach und stimmt der Forderung Erdogans zu, nichts an den Gesetzen zu modifizieren, so steht sie als schwache Kanzlerin ohne jegliche Führungsstärke da, die sich außerdem noch in der Gewalt des despotischen Präsidenten der Türkei begeben hat.

Angela Merkel befindet sich ganz offensichtlich in einer Zwickmühle, aus der sie kaum noch herauskommen kann. Beugt sie sich Erdogan weiterhin, wird die Wut und Rebellion der Deutschen gegen sie weiter steigen, und es ist kaum vorstellbar, sie nach den Bundestagswahlen 2017 noch weiter als Kanzlerin und damit als Regierungschefin zu sehen. Somit ist Merkel vielleicht das größte politische Opfer der europäischen Asyl Krise.

 

von

 

Günter Schwarz – 11.05.2016

Foto aus „Den Korte Avis“ vom 11.05.2016