Ich sitze seit einer Stunde am Schreibtisch und sehe mir die Berichte und Nachrichten der vergangenen Stunden an. Während man sich in Schweden darüber echauffiert, dass Flüchtlinge ein Leben in ihren Herkunftsländern vorziehen und eine leise Debatte über das Verhalten von Muslimen in Schwimmbädern entbrennt, schockieren die Enthüllungen eines Skandals in England, wo Banden von Männern pakistanischer Herkunft über Jahre rund 1400 Mädchen im Alter von 11 bis 16 Jahren missbraucht haben sollen. Die Täter lassen jedes Mitgefühl für die Opfer vermissen, da es sich, nach der kulturell-religiösen Auffassung der Täter, bei weissen Mädchen um »Menschen dritter Klasse« handele. Deutschland diskutiert derweil über eine Messerattacke in Bayern, bei der es sich trotz eines obligatorischen Allah u Akbar Rufes vor der Tat nicht um einen islamistischen Hintergrund handeln soll.
Oh – auch die Ausgabe einer dänischen Zeitung berichtet über einen Jugendlichen, der sich als »guter Muslim« außerstande sieht, sich der dänischen Gesellschaft unterzuordnen.

Jeden Tag werden wir von den Medien mit Nachrichten über den Islam überrannt. Auf der einen Seite schockierende Details über Gräueltaten im Namen des Islam – auf der anderen Seite der oft relativierende Aufruf zu noch-mehr-Toleranz im Umgang mit unseren muslimischen Mitbürgern.

Unbeantwortet bleibt dabei jedoch die Frage: »Wie viel Islam muss man tolerieren?«

Es gibt Menschen, die in Dänemark, Schweden oder Deutschland geboren sind. Sie werden getauft, wachsen heran, verlieben sich um die Zeit der Konfirmation in die »erste große Liebe« und lassen sich bis zu ihrem Ableben höchstens zu Weihnachten in einer Kirche blicken. Was da an dem bevorstehenden Pfingstfest eigentlich gefeiert wird, weiss niemand so genau. Es ist ein langes Wochenende. Soviel ist klar. Kurz: das religiöse Leben dieser Menschen beschränkt sich auf das Schreiben von Oster- und Weihnachtskarten. Niemand zwingt diese Menschen zu einem Leben so fern von Gottes Herrlichkeit. Es ist deren freier Entschluss.

Nun stelle man sich vor, Christen würden nicht nur an Sonntagen um 8 Uhr Türglocken stimmen und an Einkaufspassagen wortlos Lektüre verteilen, sondern sich an Flughäfen in die Luft sprengen, unter Mord- und Todesdrohungen unchristliche Bücher, Theateraufführungen oder Kunstausstellungen verbieten wollen und den Speiseplan in Schulen und Kitas bestimmen. Gleichzeitig würde man uns in den Medien christliche Feiertage und Gebräuche einbläuen und uns zu erklären versuchen, dass jugendliche Gotteskrieger selbstverständlich offen verkünden dürfen, die Ewigkeit Christi über die Gebärmütter unserer Töchter über die Generationen tragen zu wollen.

Ich kann mich irren, aber ich glaube, dass man solche »Christenmenschen« mit Schimpf und Schande vom Hof jagen würde. Ganz anders als bei Muslimen.

Der Islam ist derzeit in Medien und Öffentlichkeit präsent, wie keine andere Religion. Täglich erreichen uns Nachrichten und Meldungen, in denen es um muslimische Kultur und Bräuche geht. In erster Linie beschäftigen sich diese Nachrichten mit einem Verständnis für den Islam. Wir dummen Europäer sollten wissen, was es zu vermeiden gilt, um die religiösen Gefühle von Muslimen nicht zu verletzen.
Warum? Warum muss sich ein nicht-religiöser Mensch mit irgendeiner Religion beschäftigen? Man kann ein durchaus guter und rechtschaffener Mensch sein und dabei den religiösen Gefühlen sämtlicher Weltreligionen übel mitspielen. Es ist kein weltliches Verbrechen, die Bedeutung von Pfingsten nicht zu kennen oder Karikaturen zu zeichnen.

Ich wünsche mir eine Welt der Gleichberechtigung. Ich wünsche mir, dass es Muslimen gestattet ist, Moscheen zu bauen, so viele das Herz begehrt. Dass Christen zu den unchristlichsten Zeiten ihre Glocken läuten dürfen und der Islam ebenso zu Deutschland oder Dänemark gehört, wie das Christentum. Zu dieser Gleichberechtigung gehörte allerdings auch, dass sich die Angehörigen dieser Religionen jeweils auf das Schreiben ihrer Grußkarten beschränken, anstatt laut durch die Medien zu trampeln und ihre Andersartigkeit hervorzuheben. Denn damit grenzen sie sich selbst aus.

von
Line Holm – 11.05.2016