Schlupfloch für reiche dänische Autofahrer
Die Nähe und die guten Beziehungen zwischen Dänemark und Schleswig-Holstein samt den Vorteilen, die sich daraus ergeben, haben u. a. nicht zuletzt reiche und wohlhabende Dänen für sich entdeckt, die gerne ein Auto fahren, das „ein paar mehr PS“ unter der Haube hat und vom Preis-, Leistungsverhältnis auch nicht unbedingt in das Budget von „Otto Normalverbraucher“ diesseits und jenseits der Grenze passt.
Viele dieser Dänen haben Schleswig-Holstein als „Parkplatz“ für ihr Luxusauto aus der „höheren Preisklasse“ entdeckt und melden das Gefährt, da sie schon einmal hier sind, auch gleich in Flensburg oder in den Landkreisen Schleswig-Flensburg bzw. Nordfriesland an. Autofahren kann in Dänemark ganz schön teuer werden, besonders wenn man Autos der gehobenen Preisklasse liebt. Nur die Abgabe, die bei der Anmeldung einer solchen Nobelkarosse anfällt, beträgt dort bei Neuwagen zwischen 105 und 150 Prozent des Nettolistenpreises. Hinzu kommt zusätzlich noch die dänische Mehrwertsteuer von 25 Prozent.
Somit nutzen wohlhabende Dänen ein legales Schlupfloch auf der deutschen Seite der Grenze, um ihre Nobelkarossen kostengünstiger durch Europa bewegen zu können.
Der Schubyer Schüler Hendrik Mees ist ein großer Autofan, und somit verfolgte er in der vergangenen Woche im Internet die „Gumball Rallye“ von Dublin nach Bukarest. Dabei traute er seinen Augen kaum, da sich unter den Luxuskarossen gleich zwei Sportwagen mit Schleswiger Saisonkennzeichen (SL-…) – ein Lamborghini Aventador und ein McLaren 650s – befanden. Der Neuwert dieser Fahrzeuge beträgt mal so eben um die 300.000 Euro! „Ich habe mich gewundert, da diese Autos hier nicht bekannt sind“, erzählt der Schüler.
Zugelassen sind die Wagen, die der Schüler gesehen hatte, in Harrislee auf die Auto Motor Club Flensburg GmbH. Während der Rallye lenkten dänische Geschäftsmänner im Cockpit die „Flitzer“ über die Distanz, und dafür gibt es auch eine gute Erklärung, denn die Firma hat sich auf die Zulassung teurer Neuwagen für ausländische Kunden spezialisiert.
Wie es auf deren Webseite zu lesen ist, wird vertraglich zwischen dem Autobesitzer und dem Club vereinbart, dass der ursprüngliche Besitzer weiterhin der juristische Halter des Fahrzeugs bleibt. Die Firma kümmert sich jedoch um die Zulassung, den TÜV und die Versicherung des Fahrzeugs. Die Auto Motor Club Flensburg GmbH gilt somit offiziell als Halter. – Das ist alles völlig legal und wird nicht nur von Dänen, sondern auch von anderen ausländischen Geschäftsleuten genutzt.
Selbstverständlich wissen die wahren Fahrzeughalter die Diskretion des Clubs zu schätzen, der sich ebenso selbstverständlich auf Nachfrage nicht zu seinen Geschäften äußern möchte: „Wir werden keine weiteren Informationen zu unserem Angebot geben. Wir wollen unsere Kunden schützen“, sagt Renate Jörgensen vom Auto Motor Club.
Für Peter Hansen vom Infocenter der Region Sønderjylland-Schleswig in Pattburg ist diese Strategie nichts Neues: „Den Service gibt es schon länger, und es gibt wohl genug Menschen, die darauf abfahren“, sagt er. Diese Form der Zulassung sei ein legales Schlupfloch, um die Registrierungsabgabe, die in Dänemark 105 Prozent des Nettolistenpreises bei einem Fahrzeugwert von bis zu 82.800 Kronen (rund 11.100 Euro) beträgt, zu umgehen. Liegt der Wert darüber, wird der Rest sogar mit 150 Prozent besteuert.
Genutzt wird diese Möglichkeit ausschließlich von reichen Dänen, die sich sozusagen ein „Hobby-Auto“ leisten können. In Dänemark fahren sie ein ganz normales Auto, und südlich der Grenze steht ihr „Spielzeug“, mit dem sie ihr Selbstwertgefühl aufpolieren. So dürfen die wohlhabenden Autobesitzer zwar mit ihren Luxus-Autos durch ganz Europa fahren und sogar an internationalen Rallyes teilnehmen, solange nicht durch Dänemark führen, denn dorthin dürfen sie unter keinen Umständen, da es dann „sehr teuer“ wird. In Dänemark darf kein dänischer Staatsbürger ein Auto mit ausländischem Kennzeichen fahren. Das ist nur mit einer vorherigen Genehmigung möglich, die mit viel bürokratischem Aufwand ungemein schwer zu erhalten ist. So ist für einen Dänen sogar ein ganz normaler deutscher Leihwagen wegen dieser Regelung ein absolutes Tabu.
Dem Schubyer Schüler ist inzwischen klar geworden, dass es sich bei den Besitzern der beiden Luxusautos mit SL-Kennzeichen nicht um Einheimische handelt, und er denkt sich sicherlich: „Schade, solche Fahrzeuge sind hier ja selten zu sehen. Die werden den Kreis wohl schneller verlassen, als man schauen kann.“
von
Günter Schwarz – 12.05.2016
Foto: Lamborghini mit Schleswig-Flensburger Saisonkennzeichen: Auch dieser Sportwagen nahm an der Gumball Rallye teil. / von Tim Burton/shmee150