Teherans Holocaust-Karikaturen pietätlos oder Kunst?

Über nichts lässt sich offensichtlich derzeit zwischen der islamischen Welt und dem christlichen Abendland so trefflich streiten, wie über Kunst und Meinungsfreiheit.
Der Fall Böhmermann, ausgelöst durch die Satiresendung „Neo Magazin Royale“ auf ZDFneo im April dieses Jahres, in welcher der türkische Präsident sich derart angegriffen fühlte, dass er juristische Schritte gegen den Satiriker mit der Zustimmung der Deutschen Regierung einleitete, die jetzt die Staatsanwaltschaft in Mainz beschäftigen, zeigt deutlich die mentale Distanz, die zwischen den beiden Weltreligionen des Islams auf der einen Seite und des Christentums auf der anderen.

Noch krasser trat dieser Gegensatz der beiden Religionen mit der Veröffentlichung von Mohammed-Karikaturen durch die dänische Tageszeitung Jyllands-Posten im September 2005 zutage, die in der „islamischen Welt“ geradezu einen Flächenbrand auslöste und dänische Einrichtungen von Botschaften, über Firmen bis hin zu dänischen Waren aller Art massiv bedrohte und in einigen Ländern gar zu Zerstörungen führten, die von Sicherheitskräften nur schwer unter Kontrolle zu bekommen waren.

In Teheran findet momentan zum dritten Mal nach 2006 und 2015 eine Kunstausstellung von Holocaust-Karikaturen mit Massoud Shojai Tabatabai als Organisator Veranstalter statt. Dabei ist sich Shojai Tabatabai darüber durchaus im Klaren dass diese Ausstellung an Tabu- und an Reizthemen kratzt, die im Westen und besonders in Deutschland so nicht akzeptiert werden. Er will provozieren, er tut es, und ihm gelingt es, wobei er argumentiert: „So wie ihr euch mit dem Propheten Mohammed in Karikaturen, in Witzen und in Satiren beschäftigt, so nehmen wir uns jetzt die künstlerische Freiheit heraus, auch das Thema Holocaust von einer anderen Seite zu beleuchten.“

Ausgestellt werden insgesamt 150 Werke von Karikaturisten aus aller Welt zum Thema Holocaust Der Gewinner dieser Ausstellung bzw. die beste Karikatur wird mit einem Preisgeld von umgerechnet rund 10.000 Euro ausgezeichnet. Zusätzlich wird ein hohes Preisgeld von 8.000 Dollar extra für denjenigen vergeben, der Israels amtierenden Ministerpräsident Netanjahu „am treffendsten“ darstellt. Diese 8.000 Dollar wurdenvon den Pasdaran, den Revolutionswächtern im Iran, zu Verfügung gestellt. Irans Außenminister Mohammad Dschawad Sarif betonte in der vergangenen Woche, dass seine Regierung den Karikaturenwettbewerb weder organisiere noch unterstütze. Der Organisator habe keinerlei Verbindung zur Regierung in Teheran und zum Regierungschef Hassan Rohani.

Zu sehen ist zum Beispiel der israelische Regierungschef Netanjahu, und aus seinem Kopf heraus wächst ein Kopf von Adolf Hitler. Das Tor des Konzentrationslagers Auschwitz mit der Losung „Arbeit macht frei“ vor dem Felsendom in Jerusalem ist auf einer anderen Karikatur, und ein orthodoxer Jude schüttet einen Eimer in den palästinensischen Farben voller Blut aus. Oder man sieht Bahngleise, die in Richtung Lager Auschwitz führen. Oben drüber steht „Arbeit macht frei“, und unter den Schienen liegen Menschen aus Syrien, aus dem Irak und, aus dem Gaza-Streifen. Eine andere Karikatur zeigt die Trennmauer, die Israel errichtet hat, oben drüber wieder der Spruch des Lagers Auschwitz: „Arbeit macht frei“.

Der Ausstellungsorganisator Massoud Shojai Tabatabai sagte bei der Eröffnung am Wochenende, es gehe ihm nicht darum, die Verbrechen der Nazis an den Juden zu leugnen oder die Opfer des Holocausts lächerlich zu machen. Er behauptete aber, dass die Verbrechen des zionistischen Regimes in Gaza und Palästina den Verbrechen der Nazis an den Juden gleichkämen.

Die Behauptung dieser Meinung mag in „westliche Ohren“ reichlich überzogen und gar provozierend klingen, aber sie ist durchaus verbreitet in islamischen Ländern und sie wird von der überwiegenden Mehrheit der gläubigen Muslime vertreten.

Insofern stellt sich für jeden von uns, ob wir nun Christen, Muslims oder sonst etwas sind, die Frage: „Was darf Kunst, was darf der Künstler und was darf in Teheran der der Karikaturist?

Anzumerken sei gegebenenfalls noch, dass die deutsche Bundesregierung diese Holocaust-Karikaturen-Ausstellung im Iran verurteilt und das Auswärtige Amt die Ausstellung ungewöhnlich scharf kritisiert. – (Allerdings wurde der iranische Botschafter noch nicht zur Bundeskanzlerin Merkel einbestellt.)

von

Günter Schwarz – 20.05.2016