Österreich ist am Sonntag bei der Stichwahl zum Staatspräsidenten noch einmal an die „Machtergreifung“ durch den rechtspopulistischen FPÖ-Kandidaten Norbert Hofer verbeigeschrammt und hat sich mit einer knappen Mehrheit von lediglich 30.026 Stimmen für den Kanditen der Grünen, der von allen anderen demokratischen Parteien und sehr vielen Künstlern, Schauspielern und Intellektuellen in dieser entscheidenden Wahl offensiv unterstützt wurde, Alexander Van der Bellen entschieden – und das bei einer Gesamtbevölkerung von rund 8,7 Millionen Einwohnern!

Vornehmlich Europaskepsis und Islamfeindlichkeit sind das bindende Glied der rechten, nationalistischen Parteien in Europa. Zum Spektrum gehören äußerst rechtsextreme Parteien genauso wie Gruppierungen und Parteien, die mit relativ gemäßigten populistischen Äußerungen auf sich aufmerksam machen wollen, um auf „Fehler“ der sogenannten etablierten Parteien hinzuweisen, da diese das Volk angeblich nicht ernst nähmen . Ihre politischen Ziele reichen von dem Wunsch nach „Recht“. „Ordnung“, „Autorität“ und „Identität“ über die Agitation gegen Minderheiten wie Sinti und Roma bis hin zur Forderung, ein „weißes Europa“ ohne „jüdischen Einfluss“ und ohne eine „islamische Unterwanderung“ zu schaffen. Die Rechtspopulisten in Europa sind seit den 1980er Jahren verstärkt auf dem Vormarsch, und sie verbuchen seither zunehmend Mandatsgewinne in regionalen und nationalen Parlamenten, aber auch im Europäischen Parlament. Paradoxerweise bauen die teilweise aggressiv nationalistischen Parteien dabei zunehmend auf eine länderübergreifende Zusammenarbeit und verstehen sich meist als „Freunde“ im Kampf gegen eine angeblich multikulturelle Überfremdung.

In Österreich, Deutschland und Dänemark sind die FPÖ, die AfD und die DF (Dansk Folkeparti – Dänische Volkspartei), die aus der Fremskridts-Parti (Fortschrittspartei) hervorgegangen ist, im Aufwind. Sie schüren die Hoffnung der Wähler, mit rigorosen Maßnahmen all das stoppen zu können, was die „heile Welt“, wie sie einst war und wieder sein sollte, gefährdet.

Das überkommene Politik- und Gesellschaftsmodell durch die Globalisierung hat unstrittig viel von seiner Strahlkraft eingebüßt Die Globalisierung der Wirtschaft und weitgehend offene Grenzen für Reisende machte zwar vieles einfacher und machte außerdem viele Produkte deutlich billiger, von elektronischen Geräten über Textilien bis hin zu Nahrungsmitteln. Aber die Globalisierung senkt eben auch den Preis der Arbeit und damit die Löhne in Europa. Die Arbeitslosigkeit, der Niedriglohnsektor und die Zahl prekärer Jobs wuchsen dramatisch – wenn nicht die Arbeitsplätze gleich dorthin exportiert wurden, wo Arbeit wenig kostet, in die sogenannte Dritte Welt.

In der Folge gehen in Europa viele Arbeitsplätze verloren, was in der Bevölkerung zu einer erheblichen Unruhe und gar Angst vor einem sozialen Abstieg führt, den sich rechtspopulistische Parteien zunutze machen, indem sie die stetig anwachsende Anzahl von Verunsicherten und Unzufriedenen für sich und ihre Ziele instrumentalisieren. Die einfachen „Lösungsvorschläge“ die sie dabei offerieren und propagieren sind selbstverständlich völlig unrealistisch, und das weiß jeder rechtspopulistische Propagandist selbst, aber er weiß ebenso, sehr viele Menschen wünschen sich einfache Lösungen für ihre ganz ureigenen Ängste, Nöte und Probleme und mögen diese noch so berechtigt und kompliziert sein. – Also wird eine Lösung angeboten, die es zwar nicht gibt, die sich aber gut anhört und an die diese Menschen glauben (wollen).

Erwiesenermaßen ist der Kommunismus à là „Marx, Engels, Lenin & Co“ weltweit gescheitert, aber der „totale Kapitalismus“ frei nach dem „Way of Life“ der US-Amerikaner ist ebenso irrational und utopisch.

Insofern kann es das Ziel aller etablierten Parteien nur sein, mögen sie sich in christlicher, sozialdemokratischer oder liberaler Tradition verstanden sehen, zumindest erst einmal in einer konstatierten Aktion die ärgsten Auswüchse der wirtschaftlichen Globalisierung zu stoppen, ihrer weiteren Entwicklung Einhalt zu gebieten und wenn irgend möglich soweit zurückzufahren, dass die Menschen, die hier in Europa leben, die Möglichkeit haben, einer geregelten Arbeit nachzugehen, von der sie erstens leben und die sie zweitens als Grundlage einer einigermaßen gesicherten Zukunft ansehen können. Somit bietet sich eigentlich nur eine Mischung aus beiden Wirtschaftssystemen an, die ähnlich einer „sozialen Marktwirtschaft“ aussehen könnte, wie sie in der alten Bundesrepublik Deutschland zumindest knapp die ersten zwanzig Jahre ihrer Existenz sehr erfolgreich praktiziert wurde. Einerseits soll und muss die Wirtschaft profitieren und Gewinne erzielen können, aber andererseits hat die Wirtschaft auch eine ebenso große Verantwortung ihren Mitarbeitern gegenüber, ohne die sie ihre Wirtschaftsleistung gar nicht erbringen können, wie sie eine Verantwortung gegenüber ihren Finanziers hat, die Profit aus ihrem investiertem Kapital erwirtschaften möchten – ob es nun Banken, Teilhaber, Aktionäre oder sonstige Geldgeber sind, wobei Arbeit gegen Kapital ausgewogen und fair bewertet werden müssen.

Keine Alternative sind auf jeden Fall Rechtspopulisten aller Art – mögen sie sich „gemäßigt“ oder extrem geben – denn alle handeln nach dem gleichen Prinzip, das da heißt: „Wer nicht dazu gehört, zum großen Wir, ist draußen!“ Jegliche Form von Rechtspopulismus ist antipluralistisch und antidemokratisch. Die Erfahrung hat es gezeigt, denn man denke nur an Hitler, Mussolini, Franco, Pinochet usw. – und an Erdoğan, der sich momentan in „seiner Türkei“ aufmacht, in die „Fußstapfen“ dieser Herren zu treten.

von

Günter Schwarz – 24.05.2016