Das renommierte Königliche Theater in København am Nytorv lehnt es derzeit ab, Alman Rushdies umstrittenen Roman „Die satanischen Verse“ 28 Jahre nach der Veröffentlichung auf die „Bretter, die die Welt bedeuten“ zu bringen, und somit sorgt das Buch einmal mehr um Aufregung zumindest unter Københavns Theaterfreunden und unter den Verantwortlichen des Theaters.

Det KGL Teater København
Der Initiator, der dieses Stück unter Mitarbeit des Regisseurs Moqi Trolin, der es gern auf die Bühne bringen möchte, der dänische Dramatiker Hassan Preisler, konnte sich bei der Theaterleitung mit seinem Vorschlag nach Aufführung nicht durchsetzen.

„Ich denke, es geht um die Angst, an den Rand gedrängt werden, und ich weiß, dass die Kulturindustrie sehr gut in den einvernehmlichen politischen Einstellungen ist – vor allem in der ´Theater-Industrie`. Man schütze sich gegen Ausgrenzung, indem man unterschiedliche Haltungen vertritt“, sagt Hassan Preisler, der mit Moqi Trolin bereits an der Dramatisierung des Stücks gearbeitet hat.

„Sie tun nichts in der dänischen Theaterszene, was die Welt erschüttern kann. Angst um die Sicherheit? Die Angst vor Ausgrenzung? Oder einfach eine zu schlechte künstlerische Qualität?“ Das Königliche Theater hat sich geweigert, Salman Rushdies umstrittenen Roman „Die satanischen Verse“ als Bühnenstück zu inszenieren.

„Ich denke, es geht um die Angst, an den Rand gedrängt zu werden. Ich weiß, dass die Kulturindustrie geübt darin ist, einvernehmliche Standpunkte zu vertreten“ – vor allem in der Theater-Industrie.

„Man schütze sich gegen Ausgrenzung, indem man sich nur scheinbar unterschiedlich positioniert“, sagt Hassan Preisler, der an der Dramatisierung des Stücks zusammen mit dem Regisseur Moqi Trolin gearbeitet hat.

Hassan Preisler unterstreicht die Stellungnahme des Dramatiker Jakob Weis aus dem letzten Jahr während der Begegnung der Kulturen als Beispiel für die gemeinsame Masse in der Welt des Theaters. Jakob Weis sagte vor der Menge, dass, wenn man in Dänemark ein nicht-ironisches Stück über den Erfolg der Dänischen Volkspartei in den letzten 30 Jahren schriebe, dann ist man in der Branche durch. „Ich denke, dem ist so. Es gibt eine informelle Vereinbarung, die nichts tut, um die Welt ja nicht zu erschüttern, denn so behält man sich den Hausfrieden und kann sich zufrieden seelenruhig zurücklehnen“, sagte Hassan Preisler.

Nach dem Statement des amtierenden Managers des Königlichen Theaters, Morten Kirk Wald, hat die  Bühne „Die satanischen Verse“ nicht wegen der Angst darum abgelehnt. „Unser absolut erster Gedanke war, dass die Aufführung der „Die satanischen Verse“ sehr interessant wäre, und wir haben auch Respekt vor den beiden Männern, die sie uns vorgestellt haben. Daher untersuchten wir im Januar, ob es möglich sei, uns die Rechte an einer dänischen Dramatisierung zu sichern, und das wäre es, obwohl es recht teuer geworden wäre“, sagt Morten Kirk Wald auf einer Rede rund um die Theaterarbeit. So wurden weitere Pläne zu „Die satanischen Verse „, erst einmal vertagt. Er erklärt weiter, dass es jetzt dem normalen Verfahren unterliegt, um zu festzulegen, ob und wann Aufführungsrechte rechtzeitig zur Verfügung stünden

Im April trat Hassan Preisler nochmals an Morten Kirk Wald heran, um herauszufinden, ob das Stück etwas für das Theater sei, und woraufhin Morten Kirk Wald entgegnet haben soll, dass er es nicht wüsste.

Gut bewacht dagegen ist die Premiere der Inszenierung „Die satanischen Verse“ von Salman Rushdie im Staatstheater in Wiesbaden am vergangenen Donnerstag, den 19. Mai, abgelaufen. Störungen gibt es keine, aber es gab eine große Begeisterung unter den Zuschauern.

„Alles stinkt hier nach Schweiß und Angst.“ – Was eine Zustandsbeschreibung der Premiere der „Die satanischen Verse“ in der Inszenierung des irakisch-deutschen Regisseurs Ihsan Othmann am Wiesbadener Staatstheater hätte werden können, war lediglich eine Textzeile im Stück selbst.

Im Premierenpublikum hingegen war wohl am Donnerstagabend keinem wirklich mulmig zumute, obwohl es im Vorfeld der Aufführung nur ein Thema in der Stadt gab: die Sicherheit.

Stefan Graf (li) als Gibril Farishta und Tobias Rott als Saladin Chamcha in den „Die satanischen Verse“
Weil der britisch-indische Bestsellerautor Salman Rushdie seit der Veröffentlichung seines Romans nach einer „Fatwa“ mit einem im Jahr 1989 von dem damaligen iranischen Oberhaupt Ajatollah Khomeini verhängten Todesurteil leben muss, löste auch die Aufführung des Stoffs in Wiesbaden einen Ausnahmezustand aus. „Wir haben frühzeitig Kontakt zur Polizei gesucht. Diese hat Einschätzungen vorgenommen, denen wir nun zu folgen haben“, begründete Intendant Uwe Eric Laufenberg die Maßnahmen, auf die er selbst gern verzichtet hätte.

Wer Eintrittsarten kaufte, musste sich zuvor mit der Angabe persönlicher Daten registrieren lassen. Am Eingang der Staatstheater-Außenspielstätte Wartburg folgte dann eine Ausweiskontrolle. Lautes Piepen erfüllte das Treppenhaus, in dem die Besucher noch Schlange standen, als die Aufführung schon hätte beginnen sollen. Mit Handsonden wurden die Theaterbesucher gescannt, Taschen inspiziert.

Auf den Weg zum Theaterraum und in den Zuschauerreihen selbst standen ein Dutzend Sicherheitskräfte mit einem Knopf im Ohr. „Alles ist weniger spektakulär, als es klingt. Und es gab auch keine konkreten Drohungen“, versicherte eine Sprecherin des Staatstheaters. Die Besucher reagierten gelassen auf die Maßnahmen.

Das gut dreistündige Stück selbst geriet für das Publikum zu einer kurzweiligen und ereignisreichen Reise in die Welt der Religion, vor allem aber in eine Welt elementarer Fragen des Lebens, der Philosophie und der Poesie. Der Regisseur und sein achtköpfiges starkes Schauspielensemble hatte auf Basis des 700-Seiten-Romans einen Abend voller Wucht geschaffen: Götter, „der eine“ Gott, Engel, Teufel und immer auch wieder einfach nur allzu menschliche Menschen kommen vor. Große Fragen des Daseins werden abgehandelt, dazu werden mal zart und zärtlich, mal derb und laut auch persönliche Dramen und Leidenschaften, Zweifel und Schwächen, gezeigt.

Abschließend kann man nur hoffen, dass auch das Königliche Theater in København nicht länger Zweifel und Schwächen zeigt, und Leidenschaft dafür entwickelt, das zeitgenössische Stück, dessen Aktualität durch den Zustrom von Flüchtlingen in Westeuropa selten so groß wie heute ist, seinem Theaterpublikum nicht länger vorenthält.

von

Günter Schwarz – 25.05.2016