Nach acht Monaten intensiver Ermittlungsarbeit präsentiert die Kripo jetzt einen 22-jährigen und einen 25-jährigen Flensburger als mutmaßliche Täter.

Nachdem Unbekannte hatten in der Nacht des 16. Oktober 2015 einen Molotow-Cocktail auf die noch leer stehende Flüchtlingsunterkunft im leerstehenden Hochhaus an der Travestraße des Selbsthilfe-Bauvereins geworfen hatten, musste die Flensburger Kripo selten unter höherem Druck in einer Brandsache ermitteln. Für die Stadt war es ein Schock. Bis dahin waren fremdenfeindliche Aktionen das Problem anderer Städte gewesen, denn am Bahnhof leisteten zahllose ehrenamtliche Helfer aus der Bevölkerung humanitäre Basisarbeit. Acht Monate später hat die Flensburger Kripo ihre Arbeit getan. Und – was bei Anschlägen gegen Flüchtlingsunterkünfte bundesweit eher die Ausnahme ist – erfolgreich ermittelt.

Der Anschlag hatte sich etwa eine Stunde nach Mitternacht in der Travestraße 28 ereignet. Zeugen gaben an, dass sie das Klirren einer Fensterscheibe gehört hatten, dem gleich ein heller Feuerschein folgte, andere wollten eine dunkle Gestalt gesehen haben, die sich vom Tatort entfernte. Das war der Sachstand, als tags darauf eine mehrköpfige Ermittlungsgruppe beim Kommissariat 5 (Staatsschutz) die Ermittlungen aufnahm. Die Beamten klemmten sich mit großer Zähigkeit hinter einen schwierigen Fall mit hoher symbolischer Aufladung. Denn die Unterkunft war bezugsbereit. Es hätte auch Menschen treffen können. Vom Ministerpräsidenten, über seinen Innenminister bis hin zum Flensburger Oberbürgermeister verurteilten führende Politiker und Amtsträger des Landes den Anschlag als feige Tat.

Eine zentrale Bedeutung für die Ermittlungen der Polizei hatten die über 600 Haushaltsbefragungen, die im Nahbereich des Tatortes durchgeführt wurden. Insgesamt wurden 59 Personen als Zeugen und sechs als Beschuldigte – zum Teil unter Leitung der Staatsanwaltschaft Flensburg – vernommen. Es gab sieben Hausdurchsuchungen, Beweismittel wurden sichergestellt, teilte die Polizei gestern mit. Im Ergebnis der akribisch geführten Ermittlungen wurden mehrere Tatverdächtige ermittelt. Bei einigen konnte der Tatverdacht vollständig ausgeräumt werden, so Polizeisprecherin Franziska Jurga. Aber nicht bei allen. Zwei Männer – 22 und 25 Jahre alt – hält die Kripo für die Urheber des Brandanschlags. Beide gehören nicht zur rechten Szene, beide gehören eher zum bürgerlichen Spektrum, so Jurga weiter. Noch bestreiten die Beschuldigten den Tatvorwurf, die im Übrigen jede Aussage bislang verweigerten. Nunmehr obliege es der Staatsanwaltschaft zu prüfen, ob die von der Kripo ermittelten Verdachtsmomente für eine Anklage ausreichen, so die Kripo.

Noch ungeklärt sind zwei weitere Anschläge: Am 20. Februar kippten Unbekannte von außen eine ätzende Flüssigkeit in den zum Zeitpunkt des Anschlags benutzten Duschraum in einer Flüchtlingsunterkunft am Dammhof, mindestens zwei Männer erlitten durch den Reizstoff Verletzungen der Atemwege. Zwei Wochen später wurde im Timm-Kröger-weg eine 37 Jahre alte Syrerin zum Opfer, als Unbekannte vom Laubengang des Mehrfamilienhauses aus ebenfalls eine Reizgas-Attacke starteten.

von

Günter Schwarz – 11.06.2016