Junge Menschen kommen friedlich zusammen und trinken Bier – sie werden von Schlägern zusammengeschlagen, die sie in Brand zu setzen drohen, weil sie sich während des Ramadans an einem Freitagabend trafen. Einige junge Leute in einem Plattenladen in Istanbul hören das neueste Album der britischen Band Radiohead während sie Bier aus Pappbechern trinken.

Kurz gesagt, genießen sie ihre Freiheit. wie so viele andere junge Leute es überall auf der Welt auch machen.

Dieses Treffen war jedoch live auf Sendung im Netzwerk über einen Dienst namens Periscope. Es war vielleicht der Grund, warum eine Gruppe von Menschen entdeckt hatte, was sie taten, und sie griffen die jungen Leute an. Aber das wurde auch auf Video aufgezeichnet sie stellten es auch ins Netz. „Wir haben sie“, ist zu hören, „und steckt sie an!“ Das Video zeigt, wie junge Menschen angegriffen, aus dem Laden geschleppt und geschlagen wurden.

Die jungen Menschen hatten die Sünde begangen, dass sie während des Ramadans Bier getrunken haben. Es ist für die religiösen Fanatiker Grund genug  zu grölen: „Wir zünden euch an!“ Zum Glück taten sie es dann doch nicht, aber sie schlugen auf die jungen Leute ein, die sie aus dem Laden gezerrt hatten und traten sie. Man hört die Schmerzensschreie der Misshandelten und die Geräusche verursacht durch die Schläge und Tritte.

Ein Mitglied der „Sturmtruppe“ brüllt: „Ihr Hurensöhne! Ich fick dich, du Bastard! Wie kann man Alkohol während des Ramadans  trinken!“

Dann werden die Lichter im Plattenladen gelöscht und das Bild ist nahezu unkenntlich. Die Schläge und Beleidigungen gehen aber weiter.

Friedliche junge Menschen, die versuchen, die Angreifer anzusprechen und zu beruhigen scheitern mit Worten wie: „Es ist okay jetzt, ihr könnt aufhören.“ Aber die „heiligen Schläger“ hören nicht auf. Und das alles geschieht auf offener Straße in Istanbul, und weit und breit ist von der Polizei nichts zu sehen.
Ein Foto wird auf Twitter gepostet. Es zeigt das Blut auf dem T-Shirt eines der Angegriffenen. Ansonsten scheint es nicht so zu sein, dass einer der jungen Menschen sehr schwer verletzt wurde.

Aber der Abend war für sie ruiniert, und sie wurden mit einer sehr unangenehmen Erfahrung konfrontiert. Sie werden wahrscheinlich ein ähnliches Ereignis kein zweites Mal machen wollen und sich zukünftig zurückhalten in ihrer Lebensfreude, und genau das ist das, was die Religiösen mit ihrem Angriff beabsichtigten.

Diese religiösen Schlägertrupps verletzen grob die Freiheiten junger Menschen, die nur das tun, was sie gerne möchten. Sie sollen zu den islamischen Regeln des Ramadans gezwungen werden. Und sehr überraschend ist die Tatsache, dass dieser Angriff im Zentrum der größten türkischen Stadt, Istanbul, stattfindet – Istanbul eine Stadt, die von jeher schon sehr säkular mit vielen Bars und sogar Nachtclubs war.

In dieser Stadt war es früher ganz normal, dass man sich nicht an die Regeln des Korans hielt – auch wenn der Fastenmonat Ramadan begangen wurde. Jetzt ist die Großstadt Istanbul nicht mehr weit von der anatolischen Provinz entfernt, in der Präsident Recep Tayyip Erdoğan und die Islamisten das Sagen haben. Es senkt sich die Nacht über die Türkei. Bemerkenswert ist auch, dass die „Sturmtruppen“ auf dem Video der Kleidung und Barttracht nach nicht extreme Islamisten sind. Es scheinen „voll normale Menschen“ zu sein. Der Kurs zeigt aber, wie sich die Türkei zunehmend islamisiert. Es wird immer weniger möglich, persönliche Freiheiten zu genießen, die gegen islamische Regeln verstoßen. Und noch breitere Gruppen aus der Bevölkerung beteiligen sich daran, diejenigen einzuschüchtern und „Gehirnwäschen“ zu unterziehen, die Widerstand gegen eine Islamisierung des Landes leisten.
Eine Person auf Twitter schreibt: „Die Tatsache, dass dieser Angriff in Cihangir (das Gebiet des Geschehens in Istanbul) geschah, hat gezeigt, dass sie uns keinen Raum zu geben bereit sind. Die ,Religion des Friedens‘ hat wieder zugeschlagen!“

Man vergleicht das auf Twitter genau mit dem Terroranschlag auf die Diskothek in Orlando. Mehr und mehr Dunkelheit senkt sich über die Türkei. – Die Türkei, welche die EU mit Angela Merkel an der Spitze weitgehend „glücklich machen“ möchte, um eine engere Zusammenarbeit in der Flüchtlingsfrage zu erreichen. – Ist es das wert?

von

Günter Schwarz – 19.06.2016