Mit dem Fahrrad nach Sylt – das geht momentan nur, wenn man seinen Drahtesel auf die Bahn verlädt. Eine Radtour auf dem elf Kilometer langen Versorgungsweg neben den Gleisen auf dem Hindenburgdamm scheiterte bislang an Einwänden des Naturschutzes.

Doch diese Bedenken scheinen jetzt ausgeräumt. „Der Naturschutz steht nicht im Weg“, verkündet gestern der verkehrspolitische Sprecher der Piratenfraktion im schleswig-holsteinischen Landtag, Uli König, nachdem das Kieler Umweltministerium auf Anfrage keine Bedenken gegen den Bau oder Ausbau eines Radwegs im Nationalpark Wattenmeer anmeldet. Voraussetzung: Es muss ein öffentliches Interesse bestehen. Das ist für König gegeben: „Wer auf Sylt Urlaub machen will, für den wird schon die Anfahrt teuer.“ Per Rad sei es wesentlich günstiger.

Also grünes Licht für den Radweg nach Sylt? Das „Nein“ kommt dieses Mal nicht vom Umwelt-, sondern vom Verkehrsminister. Es sei zwar „zweifellos eine faszinierende Idee, doch wie immer steckt der Teufel im Detail“, erklärte Reinhard Meyer (SPD) in Kiel. Denn erstens sei der Hindenburgdamm ein Bahnbetriebsgelände, das grundsätzlich nicht betreten werden dürfe, und zweitens gebe es massive Probleme mit der Verkehrssicherheit. Die Wind- und Sichtverhältnisse zwischen Bahndamm und Nordsee seien bekanntermaßen mehr als schwierig und dürften nicht unterschätzt werden. Kommt ein Radler vom Weg ab und rutscht ins Wasser, hat er es mit heimtückischen Tideströmungen zu tun. Um den Schutz des Nationalparks und die Sicherheit der Radwegnutzer zu gewährleisten, müsste sichergestellt werden, dass der Radweg nicht verlassen werden kann – was jedoch quasi unmöglich sei, heißt es aus dem Verkehrsministerium. Auch die Gefahr, von Gegenständen getroffen zu werden, die unachtsame Reisende aus vorbeirauschenden Zügen werfen, sei erheblich. Die Rettungsmöglichkeiten für möglicherweise verunfallte Radler hingegen wären begrenzt.

Nicht nur die Piraten, sondern auch die vielen Ausflügler, die sich bereits per Muskelkraft auf die beliebteste Ferieninsel Deutschlands radeln sahen, dürften über das Nein aus dem Ministerium enttäuscht sein. Die Piraten hatten sogar eigens den Allgemeinen Deutschen Fahrradclub (ADFC) konsultiert und eine Sicherheitsanalyse eingeholt. Demnach sei das Nebeneinander von durchrauschenden Zügen und radelnden Urlaubern kein Sicherheitshindernis. Laut ADFC reicht ein Abstand von weniger als 2,4 Metern. Der Abstand zwischen dem bereits bestehenden Rettungsweg südlich auf dem Hindenburgdamm und den Gleisanlagen ist rund sechs Meter breit. Doch das ändert nichts am Votum der Behörden.

Die Piraten sind übrigens nicht die ersten Aktivisten mit ihrem Vorstoß für einen Radweg auf der bisher ausschließlich für den Bahnverkehr freigegebenen Strecke vom Festland bis zur Insel. Erst im vergangenen Jahr hatte der Berliner Andreas Jüttemann – als bekennender Sylt-Fan und begeisterter Biker – eine entsprechende Online-Petition auf den Weg gebracht. Radfahrer störten die Natur weniger als die gen Sylt donnernden Züge, hatte Jüttemann argumentiert und war damit auf der Insel keineswegs nur auf Ablehnung gestoßen. „Eine verlockende Idee“, sagte beispielsweise Maria Andresen, die Fraktionsvorsitzende der Sylter Grünen. Sie selbst sei schon vom dänischen Festland nach Röm bis zur Syltfähre geradelt; auf dem Damm dort sei allerdings auch genügend Platz für Radfahrer.

Auch Manfred Uekermann, der Vorsitzende des Landschaftszweckverbands, wollte die Radwege-Idee seinerzeit gerne zur Diskussion stellen: Man müsste ja ohnehin schauen, dass der marode Weg neben den Bahngleisen aufgerüstet wird, damit beispielsweise Kranke im Notfall schneller aufs Festland gebracht werden können. „Im Zuge dessen könnte man auch über einen Radweg sprechen“, sagte der CDU-Politiker im Mai 2015. Naturschützer Lothar Koch dagegen erteilte solchen Radwegeplänen eine klare Absage: „An gleichförmig tuckernde Züge gewöhnen sich die meisten Tierarten über die Jahre. An unberechenbar gestikulierende, wackelnde, lärmende und bunte Radfahrer jedoch nicht. Außerdem haben die verschiedenen Vogelarten ganz unterschiedliche Störempfindlichkeiten.“

Andreas Jüttemann hatte sogar die neue Situation ins Spiel gebracht, dass es jetzt zwei Betreiber für den Autozug gibt: Weil das Deutsche-Bahn-Monopol gekippt sei und jetzt auch Privatbahnen den Damm nutzen dürfen, müssten auch die Schilder „Unerlaubtes Betreten der Bahnanlagen ist verboten“ abmontiert und der Dammfuß für Radler freigegeben werden. Ein Trugschluss, so das Ministerium. Denn der Damm gehört nicht der Deutschen Bahn, sondern der DB Netz AG. Online-Aktivist Jüttemann ist mit seiner Petition beim Kieler Landtag gescheitert. Ob der erneute Anlauf der schleswig-holsteinischen Piraten zu einem anderen Ergebnis führt, bleibt abzuwarten.

von

Günter Schwarz – 20.06.2016