Vereinigtes Königreich verläßt die EU – Was bedeutet das für uns?
Es war ein knapper Sieg der EU-Gegner. Bei der Abstimmung für einen Austritt des Vereinigten Königreiches aus der EU stimmten 51,8 Prozent für den Austritt (Exit). 48,2 Prozent der Wähler sprachen sich für eine Mitgliedschaft in der EU aus. Die Entscheidung ist somit klar: Das Vereinigte Königreich verläßt die EU.
Welche Auswirkungen hat das für Deutschland?
Experten sehen Deutschland als den größten Verlierer des BREXIT, sagt Clemens Fuest, Präsident des Wirtschaftsforschungsinstituts Ifo. Ob Innere Sicherheit oder Verteidigung, Handel oder Hochschulwesen: Ein Austritt der Briten aus der Europäischen Union hat weitreichende Folgen für die Bundesrepublik.
Nach vorsichtigen Schätzungen könnte die Bundesrepublik bis zu drei Prozent ihrer Wirtschaftsleistung einbüßen, errechnete das Wirtschaftsforschungsinstitut. Der Grund: das Vereinigte Königreich ist der drittwichtigste Handelspartner für Deutschland. Nach dem BREXIT drohen nun erhöhte Handelszölle und mehr Bürokratie. Damit ist zu erwarten, dass auf der Insel spürbar weniger deutsche Autos oder Elektroartikel verkauft werden. Somit muss hierzulande weniger produziert werden und das könnte Arbeitsplätze kosten. Auch für andere EU Staaten ist Großbritannien ein enorm wichtiger Absatzmarkt.
Nach pessimistischen Schätzungen würden durch einen Brexit – bedingt durch Börsencrash, Euroabwertung sowie einer Rezession als seine Folgen – Billionen Euro vernichtet. Schon während der Auszählung hat die Börse reagiert und die rasante Talfahrt des Pfund hat begonnen, da Großbritannien kein Euro-Land war.
Jeder der 508 Millionen EU-Bürger könnte im Schnitt knapp 13.000 Euro verlieren, hat die Tageszeitung »Die Welt« berechnet. Der Star-Investor George Soros sagte kürzlich, der Brexit hätte schwerwiegende Folgen für jeden von uns – »sofort und dramatisch«. Preise würden steigen, Jobs verloren gehen. Wie es nach dem Austritt nun wirtschaftspolitisch weitergeht, ist noch unklar.
Deutschland wird mehr Gelder an Brüssel zahlen müssen
Deutschland zahlt jedes Jahr zweistellige Milliardenbeträge nach Brüssel. Nach dem Austritt Großbritanniens, wird Deutschland mehr Geld in den EU-Topf schmeißen müssen. Laut Schätzungen bis zu 2,5 Milliarden Euro. Aber auch Frankreich (1,9 Milliarden), Italien (1,4) und Spanien (0,9) sind erheblich betroffen. Mögliche Folgen wären Steuererhöhungen oder eine Kürzung öffentlicher Investitionen, etwa in Schwimmbäder und Schulen.
Die Polizei-Informationen, die Großbritannien an die EU-Partner sendet, seien zwar eher spärlich, aber von ausgesprochen hohem Nutzen, heißt es in Sicherheitskreisen und von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU). Der Brexit wird sicherheitspolitisch, im Zeitalter des Datenaustauschs daher wohl nicht nur Großbritannien, sondern auch Europa schaden. Das Vereinigte Königreich ist nun kein vollwertiges Mitglied der europäischen Polizeibehörde Europol mehr und wird den Zugang zu wichtigen Datenbanken der EU verlieren. Zugleich werden die EU-Staaten mit noch weniger Informationen durch die Briten leben.
Die Krise im Nahen Osten, die Bedrohung durch die Terrormiliz IS, die Krise zwischen der EU und Russland: Mit Großbritannien wären diese und andere Herausforderungen leichter zu bewältigen. Außerdem sitzt nach dem Brexit nur noch ein EU-Staat im UN-Sicherheitsrat – Frankreich. Bei heiklen Abstimmungen zur Außen- und Sicherheitspolitik ist das für Europa ein herber Verlust.
Gibt es Vorteile?
Ja, auch die liegen im Bereich des Möglichen. Zumindest in Teilbereichen. Der deutsche Finanzmarkt Frankfurt könnte profitieren, wenn sich Banken nach dem Austritt nun aus London zurückziehen und ihren Geschäften in der Mainmetropole nachgehen.
Die Londoner Analysten des US-Informationsdienstes IHS stellen in einer Studie die gewagte These auf, dass die EU langfristig vom Brexit profitieren könnte. Wie denn das? Sollen die Union weitere Länder als Folge des britischen „Nein!“ verlassen, würde der Rest der EU harmonischer miteinander umgehen. Krisen würden schneller gelöst. Die Folge: geringere Kosten, weniger Bürokratie, geringere finanzielle Risiken. „Eine bescheidenere EU“, schreiben die Londoner Analysten, „würde einiges an Attraktivität zurückgewinnen.“
Die Wirtschaft, darin sind sich fast alle Experten einig, wird unter einem Brexit und seinen Folgen jedoch erheblich leiden. Und damit auch jeder einzelne EU-Bürger.
von
Line Holm – 24.06.2016