»Ich habe die Krankheit nun schon fünf Jahre. Um ehrlich zu sein: ich erinnere mich schon gar nicht mehr daran, wie es ohne sie war.

Psoriasis ist eine chronische Erkrankung. Dabei absolut nicht ansteckend. Es handelt sich dabei ausschließlich um eine chronische Entzündung, die die Teilung der Hautzellen beschleunigen. Meine Psoriasis sieht ziemlich ungewöhnlich aus, denn es ist kein vollständiger Schleier. Sie ist in kleine Flecken gebrochen, die der Zeichnung eines Leoparden ähneln. Deswegen nennt mich der Arzt und inzwischen auch meine Freunde »Leopardenmädchen«. Ich denke, dieser Spitzname ist sehr geeignet für mich. Auch wegen meiner Haarfarbe und meiner »Katzen-Natur«.

Ich sah nicht immer so aus. Meine Geschichte begann ganz normal – so, wie die meisten großen Geschichten beginnen. Ganz besonders die Geschichten der Menschen mit Psoriasis. Ich hatte viel Stress und hörte dabei irgendwann auf, ich selbst zu sein. Eines Abends ging ich schlafen und wachte am nächsten Morgen mit einem großen roten Fleck am Oberschenkel auf. Die Ärzte meinten, das bräuchte nicht behandelt werden. Ich bekam eine Salbe.

Die ersten zwei Jahre waren sehr schwer für mich. Ich hatte keine Ahnung, dass ich jemals so ekelerregend werden würde. Ich versteckte mich hinter hoch geschlossener Kleidung, erzählte niemandem von meiner Krankheit und fing an einfach zuhause zu bleiben. Ich fühlte mich in dieser Zeit sehr einsam. Es war eine harte Zeit für mich und meine Familie.

Ich habe in dieser Zeit viel aufgegeben. Meine Mutter merkte das natürlich und überredete mich zu einer Reise ans Meer. Meersalz, die frische Luft und Sonne taten dann ihre Arbeit! Eine große Anzahl der Flecken verschwand und Hände, Füße und Gesicht sahen fast wieder normal aus. Da konnte ich dann zumindest wieder normale Kleidung anziehen.

Nach und nach kamen die Flecken dann wieder zurück. Nicht so groß und rot – aber sie waren wieder da. Viele reden über die Grausamkeit der Menschen. Natürlich wurde ich auch damit konfrontiert. Kinder am Strand schrieen laut: »Warum ist das Mädchen so häßlich?!« oder »UGH – was ist das mit ihrer Haut?!«. Freiwillig wollte ich nie an den Strand. Meine Mutter brachte mich dort »gewaltsam« hin. Jetzt bin ich ihr dafür sehr dankbar!

Im Laufe der Jahre erzählte ich meinen Freunden von meiner Krankheit. Zu meiner großen Überraschung nahmen sie es alle hin – viele begannen sogar, mir Komplimente zu machen. Langsam wurde ich zu »ihrem Leopardenmädchen«. Es war sehr ungewöhnlich für mich – aber all die lieben Worte haben sehr dazu beigetragen, dass ich wieder an mich selbst glaube.

Natürlich bringt die Krankheit einige Schwierigkeiten mit sich. Zum Beispiel die Wahl der Kleidung. Ich kann unmöglich sehr dunkle Kleidung tragen, weil man darauf die Hautschuppen sofort sieht. Sehr helle Kleidung geht auch nicht, weil die Flecken hin und wieder aufreissen und leicht bluten. Es ist nicht lustig mit einem weißen T-Shirt ins Bett zu gehen und mit einem roten aufzuwachen. Ich übertreibe etwas, aber ich denke, dass macht den Punkt.

Im laufe der Jahre habe ich gelernt, dass die Krankheit nicht nur Schmerz und Leid bedeutet. Wenn man irgendwann bereit ist, sich selbst zu akzeptieren, dann kann man eine Menge Spaß und lustige Momente erleben. Ich habe – es klingt etwas absonderlich – begonnen meine Psoriasis zu meiner Zwillingsschwester zu machen. So seltsam es klingen mag: es inspiriert mich zu vielen interessanten Dingen. ich schrieb Gedichte über sie.

Und jetzt – nach fünf Jahren bin ich die ich bin. Ich trage T-Shirts, Röcke, Kleider und schäme mich nicht mehr dafür. Natürlich erlebt man immer noch anzügliche Blicke. Ganz besonders, wenn man wie ich in einer großen Stadt wohnt. Ich ertappe oft Menschen, die mir angewiderte böse Blicke zuwerfen. Ich blicke dann zurück: fest und aufrecht. Meist senken diese Menschen dann scheu ihren Blick.

An diesem Punkt frage ich mich immer: wer ist häßlicher? … die oder ich?«

(vielen Dank an Vera für ihre Geschichte
Fotos: Михаил Шестаков
)

aus dem Russischen übersetzt von
Michael Schwarz – 29.06.2016



Was das Leben aus uns macht – Der zweite Frühling