Dänemarks Bürgermeister im Stress
„Ich war oft müde und fühlte mich oft ausgepowert. Ich machte mir Sorgen darüber, ob meine Gesundheit den Stress auf Dauer standhalten würde.“ So das Zitat von Chr. Gjesing, dem früheren Bürgermeister von Haderslev.
Gjesing ist nicht der Einzige, der Stress und Druck empfunden hat – beziehungsweise spürt. Danmark Radio befragte die jetzigen 98 Bürgermeister nach ihrem Befinden: Von den 56, die geantwortet haben, gaben 23 an, dass sie sich wegen der arbeitsbedingten Belastung Sorgen um ihre Gesundheit machten und 19 hätten Stresssymptome.
Todesfälle wie die von Tønders Bürgermeister Laurids Rudebeck oder von Horsens-Bürgermeister Jan Trøjborg – beide wurden nur 56 – stimmen die Politiker nachdenklich. Jeder vierte der Befragten hat für sich überlegt, ob der Preis, als Bürgermeister einer Kommune vorzustehen, nicht zu hoch sei.
Druckbedingter Stress ist unter anderem ein unerwünschter Nebeneffekt der neuen Großkommunen: Wer früher eine kleine Gemeinde von 6.-7.000 Bürgern leitete, alles überschauen konnte und weniger Stress hatte, steht heute an der Spitze einer Kommune mit 60.000 Einwohnern und mehr und hat 6.000 Mitarbeiter.
Mutet man den Bürgermeistern zu viel zu? Oder müssen sie selbst besser mit der Arbeitsbelastung umgehen können, denn auch wer Chef eines privaten Unternehmens ist, steht schließlich unter Erfolgsdruck?
Aber eben nicht wie ein Bürgermeister, der ständig unter politischen Druck oft von vielen Seiten steht, für alles den Kopf hinhalten muss, egal was schief läuft, Chef Tausender Mitarbeiter ist und dann auch noch die Kommune bei Hunderten von kleinen und großen Veranstaltungen vertreten muss.
Das ist kein Beruf, sondern das ist schon ein (kräfteraubender) Lebensstil – und das rund um die Uhr!
Die Arbeit als Bürgermeister ist nicht beneidenswert – auch wenn der frühere Bürgermeister von Vordingborg den Beruf als den „besten der Welt“ bezeichnete. Doch selbst er musste ebenfalls vorzeitig den Stecker ziehen, weil die Belastung zu groß wurde.
„Sollen sie es doch einfach sein lassen, wenn sie dem Stress nicht standhalten können“, heißt es dann oft – nur kein Mitleid für die „Machthaber“. Aber wer, bitte, soll es dann übernehmen? Wir schulden unseren Bürgermeistern (und Politikern) Respekt und Anerkennung – und mehr Freiraum, damit sie an der Politik nicht kaputt gehen. Auch das gehört zur Demokratie – und nicht nur schnell geschriebene und zumeist sehr verletzende Facebook-Kommentare.
von
Günter Schwarz – 01.07.2016