Österreich: Präsidentenwahl Runde „zwei“!
Wegen einer Vielzahl von Unregelmäßigkeiten muss in Österreich die zweite Runde der Präsidentenwahl und damit die Stichwahl vom 22. Mai zwischen Alexander Van der Bellen (Grüne) und Norbert Hofer (FPÖ) wiederholt werden. Das Verfassungsgericht erklärte das Ergebnis der Stichwahl für ungültig und gab damit einem Einspruch der FPÖ Recht. – Das hat es in Europa noch nicht gegeben!
Doch wegen einer Vielzahl von Unregelmäßigkeiten muss in Österreich die zweite Runde der Präsidentenwahl wiederholt werden. Das Verfassungsgericht erklärte am Freitag das Ergebnis der Stichwahl für ungültig und gab damit einem Einspruch der rechtspopulistischen FPÖ Recht. Deren knapp unterlegener Kandidat Norbert Hofer bekommt damit eine zweite Chance, doch noch als Bundespräsident in die Wiener Hofburg einzuziehen.
Der Grünen-Politiker Alexander Van der Bellen hatte die Stichwahl am 22. Mai mit lediglich 30.863 Stimmen Vorsprung gewonnen. Während Hofer selbst den Ausgang der Wahl akzeptierte, meldete die FPÖ bereits am Wahlabend Zweifel am Ergebnis an. Zweieinhalb Wochen später reichte sie ihre Wahlanfechtung ein und erklärte, bei der Wahl habe es zahlreiche Unregelmäßigkeiten und Pannen gegeben.
Der Verfassungsgerichtshof gab der Beschwerde von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache nun statt, wie Gerichtspräsident Gerhard Holzinger bei der Urteilsverkündung sagte. „Die Stichwahl muss in ganz Österreich zur Gänze wiederholt werden.“ Es gebe keine Gewinner oder Verlierer; das Ziel sei allein, „das Vertrauen in unseren Rechtsstaat und damit in unsere Demokratie zu stärken“.
Hinweise auf Wahlbetrug oder gezielte Manipulationen fand das Gericht nicht, doch räumten mehrere Zeugen Regelverstöße bei der Stimmauszählung ein: So wurden in einigen Bezirken die Briefwahlstimmen schon am Sonntagabend ausgezählt Und Briefwahlstimmen wurden bis zur Auszählung nicht verschlossen gelagert. Die Zählung der Breifwahlsimmen wäer laut Wahlgesetz erst ab Montagmorgen erlaubt gewesen. Außerdem wurden Stimmen auch von Unbefugten ausgezählt.
Hofer erklärte nach der Gerichtsentscheidung, er sei „froh, dass der Verfassungsgerichtshof eine schwierige Entscheidung objektiv getroffen“ habe. „Ich habe großes Vertrauen in den Rechtsstaat“, betonte der 45-jährige Rechtspopulist. Van der Bellen sagte, er respektiere die Entscheidung des Gerichts. Zugleich zeigte er sich zuversichtlich, bei einer Wiederholung erneut zu gewinnen.
Der 72-jährige frühere Grünen-Vorsitzende kann nun nicht wie geplant am 8. Juli seinen Amtseid ablegen. Der scheidende Präsident Heinz Fischer muss übergangsweise von einem Kollegium aus dem Parlamentspräsidenten und dessen zwei Stellvertretern ersetzt werden – darunter der Abgeordnete Hofer. Ein Termin für die Neuwahl wurde noch nicht genannt, doch wird sie wahrscheinlich im September stattfinden.
Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) forderte bereits „einen kurzen Wahlkampf, der nicht von Emotionen getragen ist“. Wahrscheinlicher ist jedoch ein spannungsgeladener Wahlkampf, bei dem auch das Brexit-Votum der Briten eine Rolle spielen dürfte. Hofer hat gefordert, auch in Österreich eine Abstimmung über den Verbleib in der EU anzusetzen, wenn die EU sich nicht binnen eines Jahres reformiere.
Van der Bellen ist dagegen ein entschiedener EU-Befürworter, dem die „Vereinigten Staaten von Europa“ vorschweben. Der Politikexperte Hubert Sickinger erwartet, dass Van der Bellen profitiert, sollte Hofer die EU-Mitgliedschaft zum Thema machen, da eine große Mehrheit der Österreicher den Verbleib in dem Staatenbund befürwortet.
Die Chefin der rechtsextremen französischen Front National, Marine Le Pen, nannte das Gerichtsurteil eine „sehr gute Nachricht für Patrioten“. Auch die AfD-Chefin Frauke Petry begrüßte in den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland das Urteil und warnte die Gegner der Rechtspopulisten vor „undemokratischen Methoden“.
Der Grünen-Chef Cem Özdemir sagte der Bild-Zeitung, das Urteil sei „weise“, weil es „Verschwörungstheoretikern ein klares Stopp-Schild“ zeige.
von
Günter Schwarz – 01.07.2016