København hat bei Touristen einen Ruf wie Donnerhall und das ist gut so – aber wie lebt es sich eigentlich in Dänemarks Hauptstadt?

Als Fahrradhauptstadt, Designhauptstadt und neuerdings auch Gourmetkapitale hat sich die dänische Metropole am Øresund einen Ruf erworben, der seinesgleichen auf der Welt sucht. Aber heißt es nicht, es ist nicht alles Gold, was glänzt? – Also, schau’n wir mal.


Der Hans Torv Platz in Nørrebro lockt. Der Stadtteil zieht vor allem junge Menschen an.
 

Fünf Uhr nachmittags sind die Straßen in Østerbro voller Menschen. Rund um den Sortedams See ziehen Jogger ihre Runden, ebenso sind dort Eltern mit Kindern auf Rollerblades unterwegs. Auf der Østerbrogade flitzen Radler in Richtung der großen Kreuzung Trianglen, zum Dreh- und Angelpunkt dieses Stadtteils. In den Boutiquen und Designläden stöbert überwiegend weibliche Kundschaft, derweil deren Ehemänner und Hipster-Väter mit ihren Kindern auf dem Nachhauseweg ein Päuschen in der Eisdiele einlegen.

Auch bei Klein-Irma herrscht Gedränge. „Lille Irma“ ist eine Konzeptsupermarktkette in København, die Bio- und Edelprodukte anbietet. Um diese Stunde kaufen viele die Zutaten fürs Abendessen, denn in Dänemark wird früh gegessen – oft schon zwischen sechs und sieben. Das Aftensmad ist die wichtigste Mahlzeit des Tages – und für viele Dänen auch heute noch eine familiäre Angelegenheit. Für alle, denen es an Zeit oder Lust fehlt, selbst zu kochen, bieten eigens darauf spezialisierte Läden frisch vorbereitete Speisen, die man zu Hause fertigbrutzeln kann.


Auf den Straßen Kopenhagens geht es meist ruhig zu.
 

Ole, schlanker Typ um die fünfzig, weißes Hemd über der Hose, schwarze Nerdbrille im Gesicht und graue Filzhausschuhe über den nackten Füßen, hat sich an diesem Tag selbst an den Herd gestellt. Der Duft von würzigem Hackfleisch, Zwiebeln, Knoblauch und Oregano schwappt ins Treppenhaus, als er die Tür zu seiner Altbauwohnung in einer der Seitenstraßen der Østerbrogade öffnet. Es ist ein Haus wie die meisten hier: fünf Geschosse und ein Hochparterre, zwei Wohnungen je Etage, das Treppenhaus ausgelegt mit nüchtern-graublauem Linoleum. Hinten raus liegt ein großer, ruhiger Hof, um den sich die Häuser des Blocks gruppieren.

Østerbro schließt nördlich an das Zentrum an. Zur Kleinen Meerjungfrau, dem Wahrzeichen der Stadt, ist es zu Fuß nicht weit. In der Nachbarschaft geht es herrschaftlich zu. Dort liegt das Schloss Amalienborg, wo Königin Margrethe II. zu Hause ist. Kein Wunder, dass das Quartier zu den teuersten und beliebtesten der dänischen Hauptstadt zählt.


Begehrt: Siedlungshäuschen in Østerbro
 

Feine Nachbarschaft

Altbau reiht sich hier an Altbau, mal mit heller Klinker-, mal mit Putzfassade. Die Straßen säumen Mehrfamilienhäuser, es gibt aber auch Villen und von Siedlungshäusern gesäumte Spielstraßen. Mit dem Bus, vor allem aber mit dem Fahrrad ist man schnell im Zentrum. Das ist in der Fahrrad-Hauptstadt København, die über ein dichtes Netz breiter Radwege verfügt und damit weltweit als Vorbild gilt, ein maßgebliches Kriterium dafür, was eine gute Wohnlage ausmacht.

Auch wer ausgiebig shoppen will, ist in Østerbro richtig. Entlang der breiten Østerbrogade folgt Geschäft auf Boutique, dazwischen der imposante Flagshipstore des Designlabels Normann Copenhagen. Die Coffeeshop- und Bäckereien-Dichte ist hoch, weswegen manche schon etwas abfällig von Københavns „Latte-Macchiato-District“ sprechen. Auch die lokalen Ketten sind hier mit Filialen vertreten: Meyers Bageri, bekannt für ihre Zimtschnecken, oder etwa Emmerys, wo man auf dem Gubi Chair sitzt, der es in die Dauerausstellung des Designmuseum Danmark geschafft hat.


Amager: In der Näher des großen Strandparks wachsen die Neubauten in die Höhe. Der Balkon ist ein Muss – auch wenn der Wind hier oft so stark weht, dass es auf dem Freisitz eher ungemütlich ist.
 

Vor vielen Häusern haben die Bewohner Holzbänke und Hortensien in großen Blumentöpfen auf die Gehwege gestellt. An den Türen kleben Schilder, die mahnen, hier keine Fahrräder abzustellen. Østerbro ähnelt ein wenig Berlins Prenzlauer Berg, Schwabing in München, dem Frankfurter Nordend oder Hamburg-Winterhude – nur es hat mehr „København-Charme“.

von

Günter Schwarz – 04.07.2016